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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Klebkraut sagte, er habe Sonnenjägers Labyrinth weggeworfen, und seitdem habe Wolfsträumer ihn an der Hand genommen.
    Und er schien Anhänger zu gewinnen. Yuccadorne, Frauenhaar und der alte Gepardenschwanz hielten sich ständig in seiner Nähe auf und flüsterten ihm Dinge zu, während sie die anderen Dorfbewohner beobachteten.
    Nun waren sie unter denen, die Klebkraut umstanden, an seinen Lippen hingen und auf Anweisungen des »großen« Träumers warteten. Er gab Befehle, als wäre er ein Dorfoberhaupt. Und er schien seinen neuen Einfluß zu genießen. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang hallte seine schrille Stimme durch das Dorf. Er hielt die Leute mit seinen Forderungen auf Trab.
    Allein der Gedanke erfüllte Berufkraut mit Zorn. Die Leute sollten seinen Großvater um Rat fragen, nicht Klebkraut, obwohl Melisse im Augenblick wohl nicht in der Verfassung war, Rat zu geben.
    Berufkraut sah Sumach zu, wie sie eine gelbe Wellenlinie über Bergsees Kinn zog. Die von den Wangen seiner Großmutter tropfenden Tränen verschmierten die Zeichnung.
    »Sie fehlt mir so«, stieß Balsam hervor. Er vergrub sein Gesicht in Berufkrauts Ärmel, um zu weinen.
    Aus seiner Hemdtasche lugte der Kopf einer Elfenbeinpuppe. Sie war aus dem Teil eines Stoßzahns geschnitzt. Melisse hatte das Elfenbein erstanden und es Balsam gegeben. Das Haar der Puppe kam von einem Mammutschwanz, und um ihren Hals hing eine Kette aus winzigen Schneckenschalen.
    Wunderschön. Balsam mußte die Puppe für seine Schwester geschnitzt haben, damit sie sie mit zum Land der Toten nehmen konnte.
    Berufkraut strich seinem Bruder über das Haar. »Sei nicht traurig, Balsam. Bald wird sie bei Mutter und Vater sein. Sie werden sich um sie kümmern. Du weißt, wie sehr sie sie nach ihrem Tod vermißt hat.«
    »Ja, aber ich wünschte, sie hätte nicht gehen müssen.«
    »Ich auch.«
    Berufkraut wunderte sich über seine Empfindungen. Er fühlte sich so wie im Frühjahr vor zwei Jahresumläufen, als er auf die Jagd gegangen war und in einem plötzlich aufkommenden Schneesturm fast erfroren wäre. Damals hatte sein Verstand den Dienst versagt. Selbst einfachste Dinge hatte er nicht mehr gewußt, hatte vergessen, wie man ein Feuer entfacht oder ein Tier tötet. Es war so, als hätte sich seine Seele vom Körper gelöst und schwebte beobachtend über ihm, statt am Leben teilzunehmen.
    Doch als er wieder zu sich gekommen war, hatte der Schmerz in seinem Körper ihn fast überwältigt. Er fragte sich, ob es mit seiner empfindungslosen Seele diesmal genauso sein würde.
    Sumach stand mühsam auf und schaute mit zusammengekniffenen Augen auf die zerstörten Überreste des Lagers. Ihr Kleid aus weißem Lamaleder war an den Ärmeln vom Baden Bergsees mit winzigen Blutflecken besprenkelt. Niemand kümmerte sich um die Kadaver der toten Mammuts, die inzwischen stanken. Die Leute hatten so viel frisches Mammutsteak gegessen wie nur möglich, bevor die Fliegen sich in schwarzen Schwärmen auf dem Fleisch niederließen. Niemand würde das Fleisch jetzt noch anrühren. Es wimmelte von Maden.
    »Berufkraut«, sagte Sumach müde, »dein Großvater ist zu alt dafür. Hilf mir mit Bergsees Bahre. Wir werden sie zu der großen Espe direkt hinter dem Lager tragen. Melisse hat die Stelle gestern ausgesucht.«
    »Balsam und ich können unsere Schwester tragen, Großmutter. Geh schon vor, dann folgen wir dir.«
    Berufkraut wies Balsam an, das untere Ende der Bahre zu nehmen, und gehorsam wischte Balsam sich die Nase und kam stolpernd auf die Beine.
    Sie gingen langsam hinter Sumach her und trugen Bergsee zwischen sich. Balsam konnte nicht aufhören zu weinen. Gelegentlich hielt Sumach an, um eine Frau mit bleichem Gesicht zu trösten oder einem trauernden Mann über den Arm zu streichen. Zum Teil deswegen, aber auch, weil ihre alten Beine so sehr wankten, war Sumachs Weg durch das Dorf gewunden wie der einer Schlange.
    Melisse hatte einen wunderschönen Baum ausgesucht. Er stand auf einer kleinen Erhebung und schaute auf Mutter Ozean und die bewaldeten Hügel der Zwergeninsel. Von hier aus würde Bergsees Seele den Walen im Sommer bei der Paarung zusehen können. Sie würde zuschauen, wie die Leute ihre Flachboote zwischen den Walen hindurchpaddelten, um den an der Oberfläche schwimmenden Amber einzusammeln. Pottwale fraßen große Mengen Tintenfisch, und die hornigen, schnabelähnlichen Kiefer sammelten sich in ihrem Magen, bis sie die erbrachen. Amber enthielt Duft-und Farbstoffe und

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