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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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seufzte er und legte eine Hand zärtlich auf Sumachs Schulter. »Vielleicht wäre es das.«
    Wolfsträumer stand auf einem roten Felsenkamm, der einen Canyon voll zerfallener Steindörfer überragte. Um ihn herum erstreckte sich eine trockene, zerklüftete Landschaft. Wohin er auch blickte, sah er von der Erosion tief ausgegrabene Ebenen, aus denen eine Vielzahl von Sandsteinkegeln ihre kantigen Gipfel gegen den azurblauen Himmel erhoben. Durch die weiten Ebenen wanden sich von ablaufendem Regenwasser tief eingegrabene, ausgedörrte Schluchten, an deren Rändern struppige Bäume und Büsche wuchsen.
    Der heiße Wind führte den scharfen Geruch von Salbei mit sich. Wolfsträumer sog ihn tief ein. Er brachte ihm die Erinnerung an eine Zeit, als in den verstreuten Ruinen unter ihm Tausende von Menschen gelebt hatten. Noch schienen ihre lauten Rufe, mit denen sie den Regengott herniedergebeten hatten, in der Luft zu liegen. Die lauten Schreie »Hututul Hututu!« waren damals bis in den Himmel gedrungen.
    In reich mit farbigen Federn und Kupferglöckchen verzierten Gewändern war Wolfsträumer hier in Begleitung einer großen Menschenmenge entlanggeschritten. Sie hatten seinen Weg mit blauem Maismehl ausgestreut und ihm unter der klappernden Begleitung ihrer Hirschknochenrasseln Preislieder gesungen. Als Gegengabe hatte er ihnen das wertvollste aller Geschenke des Lebens gegeben: Regen.
    Nun strichen nur noch Mäuse, Schlangen, Skorpione und Kojoten durch die zerfallenen Ruinen in dem leeren Canyon.
    Wolfsträumer legte eine Hand auf den Stein neben sich und betrachtete Sonnenjäger.
    Der Träumer kniete mitten auf dem zerfallenen Dorfplatz. Sein weißes Haar bewegte sich im Wind, der an den kahlen Wänden des Canyons vorbeistrich. Sonnenjägers Augen waren auf das riesige, fünf Stockwerke hohe Gebäude gerichtet, dessen Flügel ihn wie der kalte Arm eines toten Liebhabers umfingen. Vor Erstaunen stand ihm fast der Mund offen, als hätte er hinter der Verwüstung die große Zivilisation sehen können, die hier einmal geblüht hatte.
    »Siehst du die Geister, Sonnenjäger? Hörst du ihre Stimmen?«
    Wolfsträumer konnte sie sehen und hören. Er sah die Männer an den lehmverputzten Wänden der Gebäude lehnen und Speerspitzen behauen, während die Frauen plaudernd auf dem Dorfplatz saßen und Lehmbänder rollten, die sie zu wunderschönen Gefäßen formten. Er konnte das Gluckern der überall umherstolzierenden zahmen Truthähne hören und das Gelächter der Kinder, die einmal so frei in den kühlen Schatten dieser monumentalen Gebäude umhergelaufen waren.
    Dennoch hatte er diesen Zeitpunkt gewählt zweihundert Jahre nach Erlöschen der großen Zivilisation, um Sonnenjäger seine Lektion zu lehren.
    Wolfsträumer war noch vor dem Erwachen von Morgenrötekind hier angekommen. Doch er hatte Sonnenjäger allein gelassen. Der Träumer war wie ein kleiner Junge durch die Ruinen gelaufen. Er hatte die vielen tausend Räume in seiner Reichweite erkundet und immer wieder Überraschungsschreie ausgestoßen. Schließlich war er hierher zurückgekehrt und auf die Knie gefallen. Er kniete noch immer dort und starrte die zerbröckelnde Pracht ehrfürchtig an. Eine Zeitlang hatte er gesungen und die Reste der Macht, die in dem zerfallenen Gemäuer versteckt waren, wie einen durchsichtigen Festungswall um sich gesammelt.
    Dann war der Träumer still geworden …
    Wolfsträumer stieg den Pfad hinab, der über den Felskamm führte und sich zum Canyon hinunterwand. Die Muschelschalen an seinen Mokassins rasselten melodisch; die langen Fransen an seinem Hemd und seiner Hose aus Mammutleder wippten dazu in einem lautlosen Rhythmus. Das schwarze Haar hatte er zu einem Zopf geflochten, der ihm über den Rücken herabhing.
    Die Wege zwischen den vom Treibsand halb begrabenen Dörfern waren mit zerbrochenen Tonscherben eingefaßt gewesen. Ihre feinen, schwarzweißen Muster leuchteten unter seinen Füßen auf. In diesen Ruinen war das gespenstische Murmeln der Geister zu hören. Ihre Worte wurden mit dem Wind lauter und leiser und trieben heimatlos durch die hoch aufragenden Steinmauern, als suchten die Geister nach überlebenden Verwandten, Schwestern oder Kusinen, die sie retten würden.
    Doch jede mögliche Zufluchtsstätte war schon zerstört.
    Die Geister würden diesen Ort niemals verlassen.
    Als er um die Ecke des Gebäudes bog, begann er zu singen. Die Töne hallten von den schattigen Mauern wider.
    Sonnenjäger wandte sich beim leisen

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