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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Geburt?
    Im Traum schien es dasselbe zu sein.
    Müde zwinkernd schaue ich über das weite Land und den Himmel. Das Zwielicht hat die bewaldeten Gipfel purpurn gefärbt, und die Schatten fallen lang und dunkel über die Bodenfalten der Berge. Immer eine Lage über der andern. Und immer weiter entfernt.
    Der Abend kommt schnell heran.
    Ein Bild aber bleibt vor der Schwärze bestehen: ein goldener Knabe, mit winzigen Fäusten winkend, der zu einem gellenden Schrei zusammenschmilzt.
    Plötzlich habe ich Angst vor der Dunkelheit.
    Schreckliche Angst.

22. K APITEL
    Die weißen Mauern von Krallenstadt schimmerten im Mondlicht, als Düne über die Plaza ging. Der Sklave, der ihn geweckt hatte, lief voraus, ohne darauf zu achten, wie schnell Düne nachkommen konnte. Düne schaute zum Himmel, um die Position der Abendleute zu prüfen; es mußte fast Mitternacht sein. Die Wolken waren längst nach Osten getrieben. Er krampfte eine Hand um seinen Umhang am Hals und zog ihn fest zusammen. Ein eisiger Wind durchstreifte den Canyon, zauste Dünes weißes Haar und peitschte den Saum des langen braunen Umhangs, den ihm Nordlicht gegeben hatte; er war aus gefärbter Baumwolle und Kaninchenfellstreifen gewoben und hielt seinen gebrechlichen alten Leib warm.
    Ein schwaches rotes Licht schien an den Rändern des Türvorhangs von Krähenbarts Kammer durch. Die stützende Säule warf das flackernde Licht zurück. Düne nickte. Jemand hatte eine Schale wärmender Glut aufgestellt für die Thlatsinas, die an den Wänden tanzten. Vermutlich Nordlicht. Schlangenhaupt käme es nie in den Sinn, daß auch die Götter vielleicht Licht und Wärme benötigten. Nur wenige hatten Zutritt zu der Kammer. Nachdem Schlangenhaupt den eingeschlagenen Schädel seines Vaters entdeckt hatte, war selbst Düne der weitere Zutritt verboten worden. Düne seufzte. Ohne Zweifel wollte Schlangenhaupt jetzt allein sein, um seines Vaters Besitz zu plündern, bevor seine Schwester heimkam und ihn einforderte.
    Er trat nach einem Stein, ging weiter, durch ein Tor, das die Plazas verband, und gelangte auf die westliche Plaza. Drei Kivas waren zu seiner Rechten in den Boden eingelassen; oberhalb des hartgetretenen Bodens ragten noch weißgetünchte Ringe empor, jeweils zweimal eine Hand hoch. Leitern bezeichneten den Einstieg.
    Als er unterhalb der Großen Krieger vorbeiging, hörte er, wie sie weise miteinander wisperten. Düne reckte den Hals, um sie anzuschauen. Die heiligen Brüder spähten unheilverkündend nach unten; ihre dreißig Hände hohen Körper leuchteten, als wären sie durch das Herz von Schwester Mond geschritten und hätten ihr einen Teil ihrer Ausstrahlung geraubt.
    »Ich weiß«, murmelte Düne. »Ich bin genauso beunruhigt wie ihr.«
    Zu seiner Linken in der Nähe von Krallenstadts Einlaß stand der Geheiligte Stumpf des Baums der Spinnenfrau. Vor hundert Sonnenkreisen hatte der Baum dort gelebt. Glänzende Gebetsfächer standen um den Stumpf herum. Auf einem der Fächer leuchteten weiße Falkenfedern. In der ersten Begeisterung des Aufbaus hatten die Leute des Rechten Wegs jede Kiefer gefällt, die sie finden konnten, um Holz für Dächer, Leitern und Feuerscheite zu gewinnen. Aber niemand hatte sich an diesem uralten Nadelbaum vergriffen. Denn die Spinnenfrau hatte ihn selbst gepflanzt, gleich nachdem die Ersten Menschen aus den Unterwelten aufgestiegen waren. Als der Baum am Ende starb, hatten die Fundamente der Welt gebebt. Die Ersten Menschen erzählten, der Schöpfer habe geweint. Düne ging geradewegs über die Plaza nach Westen. Als er sich dem Sklavenquartier näherte, ächzte jemand. Dann schnitt der zornige Schrei einer Frau durch die Nacht. Er beeilte sich. Um diese Kammer zu betreten, mußte er die Leiter zum Dach hinaufklettern und dann auf einer anderen Leiter in die kleine Rundkammer hinunterklettern. Er betete, daß seine schmerzenden Knie das aushielten. Die Sprossen der Stangenleiter packend, begann er langsam den Aufstieg. Oben auf dem Dach angekommen, rang er nach Luft. Von hier aus konnte er über die Savanne die Südseite des Canyons sehen. Ein Feuer brannte in der Sonnenuntergangsstadt. Die Klippen glänzten schwärzlich, aber ein paar eckige Felsbrocken auf der Geröllhalde fingen das Licht der Sterne auf und schimmerten silbern. Den Rest des Canyons deckte das Dunkel.
    Heulen und Jaulen hörte er aus drei verschiedenen Richtungen, die Coyoten riefen einander. Düne lächelte mit zahnlosem Mund. Er liebte ihre Stimmen.

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