Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille
Manchmal trafen die Coyoten so reine und wunderbare Töne, daß er hätte schwören können, das feinste Instrument eines Meisters der Flötenmacherkunst gehört zu haben. Ein Weibchen, das in der Nähe seines Hauses durch die Wüste pirschte, sang wie einer der Götter. Düne atmete tief ein und ging zu der Leiter, die in die feuererleuchtete Kammer hinabführte. Im Inneren erkannte er drei Leute: Kriecher, den kleinwüchsigen, dicken Ältesten vom Bison-Clan, die Frau, die Düne so grob aus dem Schlaf gerissen hatte, und einen hinfälligen alten Mann. Der Alte lag auf dem Rücken, unter einer zerschlissenen hellbraunen Decke mit gelben und roten Mustern am Rand. Düne stellte einen Fuß auf die Leiter und stieg hinab. Süßer Salbei-Duft hüllte ihn ein. »O Gesegneter Ältester, danke, daß du gekommen bist«, sagte Kriecher und wartete unruhig, während Düne hinunterkletterte. »Kann ich dir helfen, Ältester?« fragte die Frau, die kniete. »Nein, es geht schon. Es braucht nur seine Zeit.« Die Frau war weidenschlank; sie hatte einen sehr feinen Knochenbau und ein Gesicht wie ein Backenhörnchen, mit strahlenden Augen und Hamsterbäckchen. Das kurze schwarze Haar ging ihr nur bis zum Kinn. Düne hatte sie viele Sommer lang in und um Krallenstadt gesehen, kannte aber ihren Namen nicht. Sie schien dreißig oder fünfunddreißig Jahre alt, und die Zischlaute der Sprache der Turmbauer wurden in ihren Worten hier und da vernehmbar. Kriecher stand auf und nahm Düne am Arm, um ihm hinabzuhelfen. »Fühlst du dich wohl, Ältester?« »So wohl, wie man es in meinem Alter erwarten kann, Kriecher. Und du?«
»Es geht, danke.«
Das kleine Feuer in der Mitte des Zimmers rauchte stark. Salbei brannte schnell und gab viel Hitze ab, die Blätter entzündeten sich sofort zu lodernden Flammen, die dann das Holz verschlangen. Eine starke rote Glut blieb übrig. Hier und da leckten noch Flammen hoch und warfen blitzartig Licht über die rußbefleckten Wände. Zwei braune Decken lagen zusammengerollt auf der Südseite des runden Raums. Neben ihnen standen einige persönliche Gegenstände - eine langhalsige schwarze Wasserkaraffe, zwei einfache Tontöpfe, einer mit gelbem Maismehl, der andere mit rotgefleckten Bohnen gefüllt, ein Korb mit gerösteten Kürbissamen und ein gesprenkeltes Waldhuhnei in einer kleinen Schale.
Beim Anblick des Eis zog Düne die Lippen in seinen zahnlosen Mund ein. Demnach… Kriecher wies auf die Frau und sagte: »Ältester, das ist Trauertaube, eine der Sklavinnen der Gesegneten Sonne.«
Düne nickte ihr zu und blickte auf den alten Mann am Boden. »Und wer ist das?«
»Das ist Lerche.«
Düne kniete sich neben den grauhaarigen Mann und betrachtete sein knochiges Gesicht. Der Schweiß stand dem Alten auf der langen, gekrümmten Nase und rann ihm über den faltigen Hals. Vorsichtig zog Düne die Decke ab, um den Brustkasten des Mannes zu begutachten. Er konnte die Rippen von Lerche zählen. »Wie lange ist er schon krank?«
Trauertaube kniete sich auf die andere Seite, und tiefe Sorge sprach aus ihren Augen. »Seit heute morgen. Er… brach auf der Plaza zusammen und konnte sich aus eigener Kraft nicht mehr erheben. Wir, Kriecher und ich, haben ihn hergetragen. Es war nicht schwierig, er ist so leicht.« Kriecher kniete sich neben Trauertaube und fügte hinzu: »Bevor seine Seele anfing zu wanken, hat uns Lerche erzählt, er sei verhext worden. Wir wußten nicht, was wir tun sollten. Da du ein großer heiliger Mann bist, dachten wir, du könntest vielleicht «
»Natürlich kümmere ich mich um ihn.« Dünes buschige weiße Brauen zogen sich zusammen. »Aber wer sollte ihn verhext haben? Hexen sind schlau, sie suchen sich ihre Opfer mit Bedacht. Wodurch könnte er eine Hexe verärgert haben?«
Trauertaube und Kriecher sahen einander an und senkten dann den Blick. Kriecher, plötzlich verlegen, kratzte an den Schmutzspritzern auf seinen Mokassins. Trauertaube zog liebevoll die Decke wieder hoch, um die Brust von Lerche zu wärmen. »Er…« Ihre Stimme war auf einmal heiser. »Lerche gehört Schlangenhaupt, Ältester.«
»Und?«
Kriecher zerknitterte nervös sein schwarzes Hemd mit den Fingernägeln. »Schon gut, Trauertaube. Erzähl's ihm.«
Trauertaube nickte und hob den Blick zu Düne. In ihren Augen sah er das blanke Entsetzen. »Du kannst mir vertrauen, Trauertaube«, versprach Düne. »Ich werde keinem Menschen etwas weitersagen.«
»Kriecher hat mir erzählt, daß du deine Macht
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