Voyager 008 - Cybersong
mich herum. Inzwischen
kann ich wenigstens zwischen meinen Empfindungen und denen
des fremden Wesens unterscheiden.«
Chakotay lächelte schief. »Die Entität ist wie ein verzogenes
Kind, das mit Steinen nach Erwachsenen wirft«, sagte er.
»Wodurch sie gefährlicher wird als ein Erwachsener, der es
ganz bewußt böse meint.«
Kes neigte verwundert den Kopf zur Seite. »Ich verstehe nicht
ganz. Ein Kind kann nicht so viel Schaden anrichten wie ein
Erwachsener.«
»Glauben Sie?« erwiderte Chakotay. »Sehen Sie nach draußen
in den Weltraum. Die vielen Raumschiffe, ihre Besatzungen
längst tot… Und das alles nur wegen der Launen eines Kinds.«
»Wie sollen wir uns verhalten, wenn wir es finden?« fragte
Kes.
»Ich kann nicht für Sie und die anderen sprechen«, entgegnete
Chakotay. »Was mich betrifft… Ich habe die Absicht, es übers
Knie zu legen und gründlich zu versohlen.«
»Könnte ich Sie einen Moment sprechen, Captain?« fragte
Harry Kim, der einen internen Kom-Kanal geöffnet hatte. Er
wollte aufstehen und zur Brücke gehen, aber dazu war er nicht
imstande. Seine Kleidung fehlte – vermutlich steckte der Doktor
dahinter.
»Ich bin gleich bei Ihnen, Mr. Kim«, erwiderte Captain
Janeway.
Es erfüllte Kim mit Verlegenheit, daß die Kommandantin
extra wegen ihm zur Krankenstation kam. Andererseits… Er
war noch nicht kräftig genug, um es allein bis zum nächsten
Turbolift zu schaffen, geschweige denn bis zum Kontrollraum.
»Vielleicht morgen«, hatte ihm Kes in Aussicht gestellt.
Seine Rekonvaleszenz machte gute Fortschritte. Das mußte
selbst der Doktor zugeben. Am vergangenen Abend war Tom
mit einer weiteren replizierten Mahlzeit gekommen, ein
Vorgang, der sich beim Mittagessen vor zwei Stunden
wiederholt hatte. Harry konnte von Glück sagen, so gute
Freunde zu haben.
Wie sehr er sich nach einer weiteren Portion des
andorianischen Pfefferkuchens sehnte… Solchen Appetit hatte
er nur während des ersten Studienjahrs an der Starfleet-
Akademie verspürt, als er sich in drei Sportarten betätigte und
noch immer wuchs.
Wie dem auch sei: Es bescherte ihm profundes Unbehagen,
daß er den Captain bitten mußte, zu ihm zu kommen. Außerdem
wäre es ihm lieber gewesen, eine Uniform zu tragen und nicht
den weiten Pyjama, den ihm der Doktor ›verschrieben‹ hatte.
Darunter gab es genug Platz für die vielen Sensoren.
»Unter einer knapp sitzenden Uniform würden sie nur
verrutschen«, hatte der Doktor gesagt. »Und das würde Ihre
Behandlung beeinträchtigen.«
Kim wußte, daß ihm keine andere Wahl blieb, als sich dem
holographischen Arzt zu fügen. Er versuchte, nicht mehr an
Uniformen und dergleichen zu denken. Darüber hinaus mußte er
zugeben, daß der Pyjama wirklich sehr bequem war. Doch sich
in einer solchen Aufmachung dem Captain zu präsentieren…
Körperlich mußte er sich noch immer erholen, doch in
geistiger Hinsicht verfügte er über sein volles
Leistungsvermögen. Zugegeben, er ermüdete rasch, und er
konnte nicht für längere Zeit sitzen. Aber wenn er sich hinlegte und an die Decke starrte… Bei diesen häufigen Pausen bekam er
Gelegenheit, gründlich über alles nachzudenken und zu
erkennen, was genau mit dem Betriebssystem geschehen war.
Daphne Mandel hatte den fremden Code identifiziert, doch
Kim wußte nun, daß gewisse Manipulationen ihrer
Aufmerksamkeit entgangen waren. Es handelte sich um sehr
subtile und heimtückische Modifizierungen. Kim fand sie…
genial.
Während er nichts anderes zu tun hatte, dachte er darüber
nach, welches Geschöpf diese Art von Sabotage verübte.
Welches Wesen konnte ihre Computersprache innerhalb kurzer
Zeit so gut verstehen, um ein Virusprogramm zu schaffen, das
den Computer verschonte, doch letztendlich den ›Tod‹ der
Voyager herbeiführte?
Ein gewöhnlicher Gegner wählte direktere Methoden. Kim
wußte, daß bei Cardassianern, Klingonen und Romulanern, trotz
aller Feindschaft zur Föderation ein gewisser Ehrenkodex
existierte. Wenn er diesen Umstand mit ihrer derzeitigen
Situation verglich, kroch Furcht in ihm empor.
Oh, er fürchtete sich nicht zum erstenmal. Aber es hatte immer
einen konkreten, rational erfaßbaren Grund für seine Ängste
gegeben. Diesmal sah die Sache anders aus. Diesmal ging es um
etwas, das sich nicht mit Logik und Vernunft überwinden ließ.
Sie waren mit etwas konfrontiert, das sie töten wollte, und zwar aus keinem für Kim ersichtlichen
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