Voyager 012 - Der Garten
hatte diese Worte kaum ausgesprochen, als sich eine Gestalt
aufrichtete und mit den Pfoten nach dem goldenen Baldachin
des Baumes tastete. Dadurch wirkte das Wesen humanoid, wie
ein echter Zweifüßer – trotz der krummen Beine. Aus dieser
Entfernung ließ sich kaum feststellen, ob das Grau von Haut,
Schuppen oder Fell stammte. Wie dem auch sei: An den
Gliedmaßen wurde die graue Tönung dunkler, bis sie im Bereich
der pfotenartigen, nur mit zwei Fingern ausgestatteten Hände in
Schwarz überging. Kims Blick huschte zwischen den Anzeigen
des Tricorders und dem Geschöpf hin und her. Das Gerät in
seinen Händen berichtete von einer Maschine oder von einem
Etwas, das maschinelle Teile enthielt. Gleichzeitig fehlte es
nicht an Anzeichen für eine Lebensform. Das Wesen schüttelte
den Baum mit ziemlichem Nachdruck, was zu einem goldenen
Blätterregen führte. Auch ein größeres Objekt fiel herab. Das
Geschöpf griff danach, blickte dabei über seine Schulter. Es sah
die Landegruppe von der Voyager, erschrak und ließ die Frucht fallen.
Janeway fluchte halblaut. Das Wesen sprang fort, setzte über
eine nahe Hecke hinweg und suchte Schutz unter einer weiter
entfernten Baumgruppe.
Torres schüttelte enttäuscht den Kopf. »Die Daten sind noch
immer nicht eindeutig, Captain. Aber es sah nicht nach einer
Maschine aus.«
»Ich habe die gleichen Ergebnisse«, sagte Kim. »Schwache
Biosignale, die auf eine Lebensform hinweisen, aber auch
Maschinenteile.«
Janeway blickte zu den Bäumen, unter denen das Geschöpf
verschwunden war. »Nun, sehen wir uns an, was das Wesen
fressen wollte – wenn es tatsächlich eine solche Absicht
verfolgte.«
Glücklicherweise brachte sie die Straße in die Nähe des
Baums mit den gelben Blättern. Schon von weitem nahm Kim
einen besonderen Duft war: ein süßlicher Geruch, der Nektar
versprach und so verlockend wirkte, daß dem Fähnrich der
Magen knurrte. Vorsichtig wanderte er am Rand einer
Anbaufläche entlang und duckte sich dann unter das goldene
Blätterdach. Hier war der Geruch noch stärker, und Kim mußte
sich sehr beherrschen, um nicht sofort eine Frucht zu pflücken
und hineinzubeißen. Statt dessen richtete er seinen Tricorder
darauf und stellte einmal mehr fest, daß sich alle Werte
innerhalb der zulässigen Parameter bewegten.
Ein Windstoß zerzauste ihm das Haar, hüllte ihn in einen Duft,
der eine Mischung aus Pfirsichen, Birnen und Geißblatt
darstellte. Speichel sammelte sich in Kims Mund, und er
schluckte mehrmals.
»Der Geruch deutet darauf hin, daß die Früchte eßbar sind«,
sagte Renehan.
Kim sah erneut aufs Anzeigefeld des Tricorders. »O ja, das
sind sie.« Er bückte sich, hob die auf den Boden gefallene
Frucht auf und drehte sie neugierig hin und her. Dort, wo das
Wesen hineingebissen hatte, lief das elfenbeinfarbene
Fruchtfleisch bereits dunkel an. Im Kernbereich zeigte sich ein
Hauch von Rot. Samen, dachte Kim und nahm eine weitere
Sondierung vor. Sofort erschien das Ergebnis auf dem Display:
ein hoher Gehalt an Ascorbinsäure und Vitaminen der B-
Gruppe; außerdem mehrere als positiv klassifizierte
Geschmacks-Ester. »Und nicht nur das. Sie schmecken auch
sehr gut.«
»Haben Sie einen Bissen genommen?« fragte Paris.
Kim schüttelte den Kopf. »Ich beziehe mich auf die Anzeigen
des Tricorders.«
»Ein Tricorder kann nicht wissen, wie Dinge schmecken«,
behauptete Paris. »Ich schlage einen Test vor. Und ich bin
bereit, die erste Versuchsperson zu sein.« Er hob die Hand und
wollte nach einer Frucht greifen.
»Halt«, sagte Janeway.
Paris erstarrte. »Es besteht kein Grund zur Besorgnis, Captain.
Kim hat festgestellt, daß die Früchte eßbar sind.«
»Das mag durchaus der Fall sein«, räumte Janeway ein. »Aber
sie wachsen in einem fremden Garten. Wir rühren hier erst
etwas an, wenn wir die Erlaubnis der Kirse haben. Oder wenn
wir wissen, was mit ihnen geschehen ist.«
Paris zog die Hand so plötzlich zurück, als hätte ihn etwas
gestochen. Kim sah, wie Torres nachdenklich nickte. Er bückte
sich erneut, legte die angebissene Frucht wieder auf den Boden.
Sie war bereits ein ganzes Stück dunkler als vorher, bot mit
jeder verstreichenden Sekunde einen weniger appetitanregenden
Anblick.
Janeway lächelte dünn. »Mir ist klar, welcher Reiz von diesen
Dingen ausgeht. Deshalb halte ich es für besser, wenn wir den
Weg nun fortsetzen, um die Kirse so schnell wie möglich
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