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Voyager 012 - Der Garten

Voyager 012 - Der Garten

Titel: Voyager 012 - Der Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Scott
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anderen begann Graurose mit einem steilen
    Kurvenflug, ließ das Shuttle gleichzeitig durchsacken und fing
    es erst ab, als sie parallel zum Ufer flogen. Paris hatte sich an
    den Armlehnen des Sessels festgeklammert, und jetzt versuchte
    er, sich wieder zu entspannen. Er hielt sich für einen guten
    Piloten, aber Graurose schien ebenfalls einiges auf dem Kasten
    zu haben. Vielleicht braucht sie nicht zu befürchten, aufgrund zu hoher Andruckkräfte das Bewußtsein zu verlieren, dachte Paris.
    In dem Fall sollte ich besser zu Fuß nach Hause zurückkehren.
    Er lächelte unwillkürlich. Bevor er zum Besatzungsmitglied der
    Voyager geworden war, hätte der Begriff ›nach Hause‹ zu viele unangenehme Erinnerungen in ihm geweckt – Erinnerungen an
    seine vielen Fehler. Jetzt war das Raumschiff im Orbit, die
    Voyager, seine Heimat – nicht mehr und nicht weniger. Die Heimat ist dort, wo sich die eigene Spezies befindet, dachte er und spürte dabei, wie sein Lächeln in die Breite wuchs. Und
    wenn das stimmt: Was hält Revek für seine Heimat?
    »Gefällt Ihnen der Flug?« fragte Revek. Er hob die Stimme,
    um das laute Brummen des Shuttletriebwerks zu übertönen.
    Paris nickte. »Ja. Finden auf dem Rückflug weitere
    Vorstellungen dieser Art statt?«
    Grauroses Flügel zitterten kurz, aber sie gab keine Antwort.
    »Was haben Sie von einem geborenen Flieger erwartet?«
    erwiderte Revek.
    Paris blinzelte, überrascht von der Vorstellung, daß die Kirse
    aus eigener Kraft fliegen konnten. Bisher hatte er angenommen,
    dazu seien sie aufgrund eines zu großen Körpergewichts nicht
    imstande. Sie sehen zu schwer aus, dachte er und richtete einen neugierigen Blick auf Graurose. Aber wenn dieser Eindruck
    täuschte, wenn die Kirse leicht genug waren, wenn sie hohle
    Knochen hatten, so wie die Vögel auf der Erde, und wenn die
    Spannweite ihrer Flügel groß genug war…
    »Ich wußte nicht, daß Sie fliegen können«, sagte Paris zu
    Graurose. Sofort kam er sich wie ein Narr vor und fügte hinzu:
    »Ich meine, aus eigener Kraft, ohne die Hilfe von Maschinen.«
    Er fühlte sich noch dümmer, als Graurose den Kopf drehte und
    ihn ansah. »Es ist eine Eigenschaft der Form«, erläuterte sie.
    »Sie wurde konstruiert.«
    »Konstruiert?« wiederholte Paris, und sein Interesse nahm
    schlagartig zu.
    »Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist etwas gemeint, das
    man als ein durch Zucht verstärktes Merkmal bezeichnen
    könnte«, meinte Revek.
    »Ja, Zucht«, bestätigte Graurose und wandte sich wieder den
    Kontrollen zu. Paris beobachtete sie und hielt es für besser,
    keine weiteren Fragen zu stellen. Er konnte sich nicht des
    Eindrucks erwehren, daß die Kirse wirklich ›konstruiert‹
    gemeint hatte – in diesem einen Wort mochte eine wichtige
    Information zum Ausdruck kommen.
    Graurose lehnte sich an einen gepolsterten Zylinder, der vom
    Boden bis zur Decke reichte. Schultern, Hüften und
    Oberschenkel steckten in einem Sicherheitsharnisch, der Flügel
    und Arme frei ließ. Paris sah genauer hin und stellte fest, daß die Schwingen der Kirse immer dann vibrierten, wenn sie die
    primären Kontrollen bediente. Die Instrumentenanzeigen
    mochten ihr wichtige Daten übermitteln, aber das Zittern ihrer
    Flügel deutete darauf hin, daß sie auch und vor allem nach
    Gefühl flog, dabei ihrem Instinkt vertraute. Es war eine
    sonderbare Erkenntnis, und Paris fragte sich, ob sie ihn
    beruhigen oder vielmehr besorgen sollte.
    Bevor er eine Wahl treffen konnte, beugte sich Revek vor und
    berührte Graurose am Nacken, ein ganzes Stück über den dicken
    Muskelsträngen, die das Schwingenpaar bewegten. Bei uns
    klopft man jemandem auf die Schulter, dachte Paris.
    Verschiedene Gesten, aber mit der gleichen Bedeutung.
    Graurose neigte den Kopf zur Seite.
    »Ich schlage vor, Sie landen dort auf dem blauen Strand«,
    sagte Revek.
    »O ja. Gute Idee.« Die Kirse bewegte den Steuerknüppel, und
    das Shuttle änderte abrupt den Kurs, schleuderte Revek fast in
    seinen Sitz zurück. Der Mann schnitt eine Grimasse und zog
    seinen eigenen Harnisch straffer. Paris war froh, daß seine Gurte
    fest saßen. Graurose warf einen Blick über die Schulter, sah zu
    Revek und lächelte. Thilo verzog erneut das Gesicht, und Paris
    begriff, daß Absicht hinter dem plötzlichen Manöver steckte.
    Ein waghalsig anmutender Sturzflug begann, und Paris
    vermutete, daß die Strukturbelastung des Shuttles dabei das
    zulässige Maximum erreichte. Durchs nächste Fenster sah

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