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VT04 - Zwischen Leben und Sterben

VT04 - Zwischen Leben und Sterben

Titel: VT04 - Zwischen Leben und Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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einer Meerschaumpfeife zu rauchen pflegte. Ein paar Hühner scharrten in den Ecken.
    Die Priesterin hockte in rote Tücher gehüllt vor dem Durchgang zum Stall. Eine leere Schüssel aus weiß emailliertem Blech stand vor ihr und neben ihr eine Schnapsflasche. Ihr weißes Haar hatte sie in hundert kleine Zöpfchen geflochten, ihr schwarzes Gesicht sah aus wie ein ausgetrocknetes Flussbett, über das eine Herde Gnus galoppiert war.
    Mit einer Handbewegung bedeutete sie ihm einen Schritt vor ihr auf dem Boden Platz zu nehmen. Nyanga, eine Massai, sprach einen nilotischen Dialekt, den Poronyoma, ein Bantu, kaum verstand. Das machte nichts – für das, was er von ihr wollte, brauchte es keine Worte.
    Sie streckte die Hand aus, er griff in das Jackett unter seinem Lederumhang und holte das Foto des Mannes heraus, um den es ging. Sie nahm es, griff sich eine der Öllampen neben ihr, hielt sie über das Foto und betrachtete es. Sie grinste, als würde sie den Mann erkennen, und das war nicht einmal ausgeschlossen, denn einmal im Jahr kam die Greisin nach Lushoto, um ihre Dienste auf dem Markt anzubieten, und in Lushoto gab es Fernsehgeräte.
    Minutenlang schaute sie sich das Foto an, dabei bewegten sich ihre welken Lippen erst stumm und dann murmelnd. Fast hätte man meinen können, sie redete mit dem Mann auf dem Bild. Irgendwann legte sie es in die Schüssel, griff zur Schnapsflasche und nahm einen kräftigen Schluck.
    Sie stellte die Flasche ab und begann wieder zu murmeln. Dabei ließ sie das Foto in der Schüssel keinen Moment aus den Augen. Unter ihrem roten Gewand zog sie eine schmutzige Meerschaumpfeife heraus, stopfte sie mit Kräutern aus einem Lederbeutel und zündete sie mit einem goldenen Feuerzeug an. Immer noch murmelnd streckte sie wieder ihre Rechte nach Charles Poronyoma aus.
    Der griff erneut unter sein Gewand und zog diesmal zwei kleine, in Stanniol gewickelte Gegenstände heraus. Nyanga wickelte zuerst die Zigarettenspitze und das Haarbüschel des Mannes aus, um den es ging, und dann den Gorillahoden. Der roch nicht mehr ganz frisch, trotzdem steckte sie ihn in den Mund. Die Zigarettenspitze und die Haare warf sie zu dem Foto in die Schüssel.
    Poronyomas Blick verfolgte jede ihrer Handbewegungen. Sein Mund war trocken, sein Herz klopfte.
    Nyanga stieß ein paar gurgelnde und zischende Laute aus. Ein kleiner schwarzer Hahn kam hinter ihr aus dem Stall gelaufen, so aufgeregt, als hätte die Alte zur Fütterung gerufen. Blitzschnell packte Nyanga ihn am Hals. Das Tier schlug mit den Flügeln und strampelte panisch. Die Hühner in der Rundhütte gackerten erregt und flüchteten durch die Tür hinter der Alten in den Stall zu dem Vieh.
    Schneller, als Charles Poronyoma gucken konnte, hatte Nyanga ein Messer aus dem Gewand gezogen und dem Hahn den Hals durchgeschnitten. Über dem Foto, den Haaren und der Zigarettenspitze ließ sie Blut des zappelnden Vogels in die Schüssel pulsieren.
    Nach ein paar Minuten warf sie den toten Hahn über die Schüssel hinweg zu Poronyoma und spuckte gleichzeitig den Gorillahoden in das Blut. Das spritzte auf ihre und Poronyomas Gewänder. Den toten Hahn vor die Brust gepresst, stierte er in die Schüssel. Das dampfende Blut des Hahns bedeckte Foto, Hoden, Haar und Zigarettenspitze. Poronyomas Nackenhaare richteten sich auf. Er schluckte trocken.
    Die Priesterin setzte die Schnapsflasche an und nahm sie drei Atemzüge lang nicht mehr von den Lippen. Danach äugte sie eine Zeitlang murmelnd in die Schüssel. Irgendwann griff sie hinein, holte den Affenhoden heraus und wickelte ihn in das Staniolpapier. Mit einer Geste forderte sie den toten Vogel. Charles Poronyoma reichte ihn ihr über die Schüssel hinweg und nahm dafür den Hoden entgegen.
    Mit einem Rohdiamanten und einem großen Dollarschein bezahlte er sie. »Wenn es klappt, ist das nur die Anzahlung.« Sie nickte und schnitt eine Miene, als wollte sie sagen: Warum sollte es nicht klappen, du Kleingläubiger?
    Schweigend liefen sie durch die Nacht zurück zum Auto. In der rechten Faust trug Poronyoma ein kleines staniolverpacktes Bündel. Triumphgefühl erfüllte ihn.
    Bodo und Fred hatten ihre Maschinenpistolen zusammengebaut und entsichert. Ihr Chef wollte das so. Die Dunkelheit war gesättigt von allen möglichen Bedrohungen.
    Kurz vor dem Mercedes tönte die Melodie von Bergvagabunden sind wir aus Poronyomas Kleidern. Er zog sein Handy heraus. »Was gibt es so Wichtiges?«
    »Die Arbeiter in Moshi rebellieren«, sagte

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