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VT04 - Zwischen Leben und Sterben

VT04 - Zwischen Leben und Sterben

Titel: VT04 - Zwischen Leben und Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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der Anrufer. Seine Stimme klang hektisch. »Sie wollen mehr Geld.«
    Moshi lag ein paar Dutzend Meilen südlich des Kilimandscharomassivs. Zwischen der Stadt und dem Berg ließ Charles Poronyoma sich einen privaten Atombunker bauen. Er war überzeugt davon, dass der Ausbruch des dritten Weltkrieges kurz bevor stand.
    »Nehmt die Rädelsführer fest«, sagte er.
    »Wir wissen von mindestens zehn Rädelsführern«, entgegnete der Anrufer. Er hieß Gerhard Weiß und war der leitende Ingenieur des Großprojektes. »Das ist schon fast die Hälfte der gesamten Belegschaft.« Gerhard Weiß stammte aus Rosenheim.
    »Dann nehmt die drei fest, die am lautesten schreien, und erschießt sie vor den Augen der anderen.«
    ***
    London, 29. August 2009
    Wie eine Königin sah sie aus in ihrem dunkelroten Kostüm und dem großen schwarzen Hut mit dem zarten Gesichtsschleier. Percival glaubte ihre blauen Augen dahinter leuchten zu sehen, wenn er während seiner Trauerrede zu ihr sah.
    »Hanns-Joseph Dark war ein Mann, der die Dinge so zu sehen versuchte, wie sie nun einmal sind«, sagte Percival nach einer kurzen Einleitung. »Die Tatsachen schönreden, sich etwas vormachen – das war nicht seine Art…«
    Am Tag zuvor hatte er drei Stunden in Leila Darks Apartment in der City verbracht. Sie hatte die ganze Zeit von ihrem verstorbenen Mann erzählt, hatte oft geweint, manchmal auch gelacht. Die Dogge lag leise wimmernd neben ihr. Percival hatte nur wenige Notizen gemacht.
    Sie erzählte, dass sie noch halb unter Schock stand und sich ohne starke Beruhigungsmittel nicht aus dem Bett, geschweige denn aus dem Haus wagte. Am Ende hatte sie ihn zum Essen eingeladen. Die ganze Nacht hatte er danach an der Rede gearbeitet; und an Leila Dark gedacht.
    »… ich denke, es entspricht dem Stil Ihres Mannes, Mrs. Dark, hier, neben seiner Urne, dieser Abschiedsstunde den Namen zu geben, den sie verdient: Es ist eine Stunde der Tränen, ein harte, scheußliche Stunde…«
    Die Trauerhalle war gerammelt voll, schwarzes und graues Tuch, Diamanten und Gold, wohin das Auge blickte; dreihundert Menschen, schätzte Percival. Vor der offenen Tür der Halle standen sie bis zum Hauptweg des Friedhofs. Lautsprecher übertrugen Percivals Rede nach draußen.
    Er schilderte das Leben des Eingeäscherten, eine dankbare Biographie für einen Autor: Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen im Osten Deutschlands, ein Autonarr und Quertreiber von Kindesbeinen an, nach dem Mauerfall mit einem Autohaus für italienische Edelschlitten die ersten Millionen gemacht, mit Rüstungsgütern die erste Milliarden, und so weiter. Ironie des Schicksals, dass ein Panzer seinem Ferrari im Weg stand und so sein Ende einläutete. Über die wahren Umstände seines Todes verlor Percival kein Wort.
    Der Friedhofsparkplatz war überfüllt mit Nobelkarossen. Von Ferrari über Daimler bis Rolls Royce war so ziemlich alles vertreten, was ein Vermögen kostete und viel Sprit schluckte. Ein paar Chauffeure flanierten an den Stoßstangen hin und her, plauderten und rauchten.
    Unter den Trauergästen entdeckte er während der Rede mindestens einen Vertreter der Polizei: Sein alter Freund Marc Steelwalker saß direkt hinter Leila Dark. Percival hatte ihn in Verdacht, an der Frau mindestens genauso interessiert zu sein wie an dem Fall. Nach dem Besuch bei der Witwe konnte er ihn gut verstehen.
    »… ungefragt tauchen wir auf im Strom der Zeit und bekommen unsere Chance, und ungefragt tauchen wir irgendwann wieder ein und es gibt kein Zurück. Woher kommt dieser Strom der Zeit? Woher kommen wir Menschen? Wohin gehen wir? Hanns-Joseph Dark zog es vor, sich über diese Fragen nicht den Kopf zu zerbrechen. Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Ihn interessierte das, was zwischen diesen beiden Fragezeichen stattfindet. Ihn interessierte das Leben. Und er nutzte seine Chance…«
    Später, am Grab, zitierte er ein paar Sätze aus einem Song von Bob Dylan und sprach, während die Urne versenkt wurde, einen heidnischen Segen. Es sah ziemlich lächerlich aus, wie das kleine Gefäß in das knapp dreißig Zentimeter durchmessende Loch hinab gelassen wurde. Percival stellte sich vor, wie man eines Tages seine zweihunderteinundzwanzig Pfund in einem ähnlich handlichen Format Mutter Erde übergeben würde. Die Vorstellung amüsierte ihn.
    Als Leila Dark sich bei ihm für die Rede bedankte, sah er in ihren blauen Augen, dass er sie wieder sehen würde.
    Mit Steelwalker saß er nach der Trauerfeier in einem Pub

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