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VT06 - Erstarrte Zeit

VT06 - Erstarrte Zeit

Titel: VT06 - Erstarrte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Hierarchie, sonst fliegt uns hier bald alles um die Ohren.«
    »Und das sagt ausgerechnet ihr?« Spöttisch musterte Percival die beiden Männer. »Vor etwas mehr als zwei Jahren war ich mal in Aachen auf einem Konzert der Firegods, ihr erinnert euch sicher. Da hatte ich weiß Gott nicht den Eindruck, dass ihr bevorzugt auf Zucht und Ordnung steht.«
    »Anarchisten waren wir nie.« Donald schlug sich auf die Glatze. »Die Sechshundertsechsundsechzig auf meinem Schädel steht für das Gegenteil – ich diene einem Herrn, musst du wissen.«
    »Ich hasse Satanisten«, sagte Percival angewidert.
    »Lasst uns vorläufig nicht über weltanschauliche Fragen diskutieren, okay?«, schlug Dagobert vor. Mit drohendem Blick wies er Donald in die Schranken. »Auch abgesehen von unserer Überzeugung sind wir keine Anarchisten, Sir Percival. Carlo hatte alle Fäden in der Hand, bis zum Schluss. Er hatte klare Vorstellungen und sagte, wo es lang ging. Wir machten hin und wieder Vorschläge, stritten uns auch manchmal mit ihm, aber im Großen und Ganzen taten wir, was er sagte. Und so ähnlich muss das hier unten auch laufen. Sonst überleben wir die nächsten zwei Monate nicht.«
    »Das klingt vernünftig, Tom«, sagte Leila. »Wenn wir nicht wenigstens den Ansatz einer Organisationsform finden, überleben von all diesen Menschen tatsächlich nur die Zähesten und Gewalttätigsten.«
    »Ihr seid ja verrückt.« Percival schüttelte seinen großen Schädel. »Was glaubt ihr, was hier los ist, wenn ich aufstehe und sage: ›Ab sofort hört alles auf mein Kommando?‹« Im Grunde wusste er, dass Leila und die beiden wilden Burschen Recht hatten. Aber eine tiefe Resignation hatte ihn seit dem Kometeneinschlag im Würgegriff. Am liebsten hätte er sich unter Leilas Decke verkrochen und auf den Tod gewartet.
    »Stell dich nicht dümmer als du bist, Tom!«, blaffte Leila. »So ungeschickt dürfen wir die Sache natürlich nicht angehen!« Sie wusste genau, was mit ihrem Geliebten los war; sie kannte Percival gut genug.
    »Zuerst müssen wir die Leute von unserer Idee überzeugen, vor allem den Major. Aber auch den Ethnologen und den Deutschen.«
    »Und die Kenianer im Inneren der Höhle!« Dagobert nickte eifrig.
    »Und dann brauchen wir Wahlen«, sagte Leila.
    Dagobert und Donald verdrehten die Augen, doch Percival sagte: »Das ist der einzige Weg. Die Leute müssen eine künftige Führung als ihre Führung betrachten. Außerdem müssen möglichst viele aus möglichst allen Gruppierungen Verantwortung übernehmen. Sonst wird das nichts.«
    »So gefällst du mir schon besser, Sir Percival.« Dagobert klopfte Tom Percival auf die Schulter. »Also, wie fangen wir an?«
    »Reden«, sagte Leila. »Wir müssen mit allen reden…«
    ***
    Chronik einer langen Nacht, 10. Februar 2012
    Karl der Große schläft. Ich habe ihm keine Überdosis verabreicht. Die Versuchung war groß, die Angst vor den Folgen noch größer. Solange noch Bewaffnete hier unten herumlaufen, die ihn rächen könnten, wäre ein direktes Attentat zu gefährlich. Nein, zuerst müssen wir Karls Hausmacht schwächen.
    Im Bunker scheint alles ruhig zu sein. Die Leute bleiben weitgehend in ihren Wohnkammern. Lesen sie? Erzählen sie sich Geschichten? Schlafen sie? Ich weiß es nicht. Es sind jedenfalls nicht mehr als hundertfünfzig, die man im Schnitt in der Gemeinschaftshalle vor der Großbildleinwand findet. Über sie flimmern alte Filme; amerikanische Western, deutsche Heimatschnulzen, Zeichentrickfilme. Man traut seinen Augen nicht, wenn man durch die Halle läuft. Das Podest mit den makaberen Hinrichtungsgegenständen hat Eddie mit Leintüchern verhüllen lassen.
    Allerdings bin ich heute zum ersten Mal gefragt worden, wann es endlich das Tiefschlafmittel gibt. Ein Offizier der tansanischen Armee fragte nach. »Bald«, sagte ich. Und tatsächlich spiele ich mit dem Gedanken, der großen Masse hier im Bunker das ursprüngliche ITH – das Ichtylintrihydroäthylamid – zu verabreichen, sobald ich es wieder fehlerlos aus der Bergmannvariante entwickelt habe. Was brauchen all diese Leute ein Wachkoma? Je tiefer bewusstlos sie sind, desto besser. Die Bergmannvariante sollte nur für Menschen reserviert sein, die reif genug für ein Wachkoma sind. Für Sissi zum Beispiel, oder für Daniel Djananga, oder für Knox von mir aus; und für mich selbstverständlich.
    Sobald der Tag der Hinrichtung vorbei ist, führe ich die erste Testreihe durch.
    Morgen Vormittag wird man den Tyrannen

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