VT06 - Erstarrte Zeit
Auseinandersetzungen gibt im Präsidentenbunker«, sagte Wilson. »Viel mehr würden wir von Keller auch nicht erfahren, wenn wir ihm Alkohol anbieten könnten.«
»Der Major glaubt, dass sie sich abschlachten werden im Bunker«, sagte Dagobert. »Er rechnet damit, dass ein paar von ihnen in den nächsten Tagen oder Wochen aus ihrem Loch kriechen werden.«
»Was schlägt er vor?«, fragte Percival heiser.
»Er will, dass wir sämtlichen Sprengstoff, alle Bewaffneten und alle, die kämpfen können, an der ›Großen Grube‹ in Stellung bringen.«
»An der ›Großen Grube‹?« Leila runzelte die Stirn.
»Das ist eine alte Kupfermine«, sagte Dagobert. »Nicht mal einen Kilometer vom Bunkergelände entfernt. Da gibt’s Schächte und Höhlen und Container und Werkzeug. Und dort haben wir einen Stützpunkt errichtet. Von dort aus könnte man einen Angriff organisieren, falls der Major Recht behält und sie wirklich aus ihrem Loch kriechen.«
Alle schwiegen und sahen Percival an. Der dachte ein paar Atemzüge lang nach. Dann nickte er. »Einverstanden.«
***
Chronik einer langen Nacht, 28. Februar 2012
Der denkbar schlimmste Fall ist eingetreten: Krieg im Bunker. Jetzt wird es Tote geben, unweigerlich.
Was schreibe ich! Es hat schon Tote gegeben – vier Wächter, ein fünfter liegt im Sterben. Der Musiker wollte auch mich erschießen, doch Knox konnte Carlo davon überzeugen, dass er und ich ihn als Verbündeten betrachten.
Einer der Wächter konnte fliehen; erst aus dem Zellentrakt, dann mit dem Lift in die obere Ebene. Er hat Fred und Bodo und den Kaiser alarmiert. Ich habe einen Fehler begangen – ich hätte es wagen sollen, den Kaiser mit Morphium zu töten und mich selbst zum ersten Mann im Bunker zu erklären!
Zu spät. Jetzt sind wenigstens die Fronten klar, jetzt gibt es kein Ausweichen mehr.
Der Kaiser und seine Vasallen halten die obere Bunkerebene. Bodo und Fred und die Leibgarde haben den Großteil der Waffen. Wir haben den Zugang zu den Energiegeneratoren, zur Wasseraufbereitungsanlage und zu den Sauerstoffleitungen.
Was wird geschehen? Ich werde Sissi und Daniel Djananga zu Verhandlungen nach oben schicken. Unwahrscheinlich, dass der Tyrann mit sich reden lässt, aber vielleicht erfahren wir etwas von der Situation der vielen Menschen in der oberen Ebene, und vielleicht eröffnet sich ja eine Möglichkeit, den Kampf kurz und mit möglichst wenigen Opfern zu führen. Je schneller wir es hinter uns haben, umso besser.
Ich mach mir Sorgen und muss doch den abgebrühten Führer mimen. Es wird zur Konfrontation kommen, es wird Blut fließen. Ich habe Angst und darf es mir nicht anmerken lassen.
***
Im Kaiserbunker, 1. März 2012
Sie warteten auf die Rückkehr ihrer Verhandlungsdelegation. Eine Stunde waren Sissi und Daniel Djananga nun schon oben in der ersten Ebene. Sissi war zwei Wochen lang die Geliebte des Kaisers gewesen, und Djananga hatte Monate lang als sein engster Vertrauter die Amtsgeschäfte in Daressalam geführt. Beide kannten den Tyrannen gut, und beiden traute Van der Groot zu, ihn zu einem Kompromiss zu bewegen.
Am Abend zuvor hatte der Professor die obere Ebene von der Wasserversorgung getrennt. Für ein paar Stunden hatte er auch den Strom abschalten lassen. Auf diese Weise glaubte er Sissis und Djanangas Verhandlungsposition zu stärken.
Etwa neunzig Kämpfer hatten van der Groot und Carlo im Hauptgang der mittleren Ebene postiert. Ein Drittel davon lag nicht weiter als fünfzig Meter von den Liften entfernt hinter Barrikaden auf dem Boden. Diese dreißig Kämpfer des ersten Verteidigungsrings waren mit sieben Pistolen, vier Revolvern und zwei Gewehren ausgerüstet. Das war ungefähr die Hälfte aller Waffen, die van der Groots Rebellen zur Verfügung standen.
»Sie können das nicht durchhalten.« Eusebia war zuversichtlich. Gemeinsam mit Vera van Dam und deren Mann sicherte sie das Labor. Sie löffelten kalte Linsen aus Konservendosen. »Ohne Wasser, ohne Zugang zu den Vorratskammern und vielleicht bald ohne Strom – irgendwann werden sie da oben rebellieren und den Kaiser samt Bodo und Fred zum Teufel jagen.«
»Hoffen wir das Beste«, sagte Vera müde. »Ich trau dem Wahnsinnigen jede Schweinerei zu. Sogar, dass er anfängt, das Blut seiner Leute zu saufen, trau ich ihm zu.« Ihr Mann und ein paar Tansanier, die ihr zugehört hatten, verzogen angewidert die Gesichter.
Eusebia schien die Vorstellung nicht im Geringsten zu befremden. »Gut möglich«, sagte sie.
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