Wach auf, wenn du dich traust
hinausgerobbt.«
Hendrik und Matthias kicherten, doch Markus verzog keine Miene. »Das mag uns vielleicht albern vorkommen. Die Frage ist, ob es uns auch dann noch albern vorkommt, wenn wir dort sind. Es ist ein besonderer Ort und ich glaube, das werdet ihr spüren.«
Markus ließ eine Schlaufe des Leinensacks, die er über der Schulter trug, hinabgleiten.
»Wir werden jetzt natürlich auch nicht einfach einen bequemen Wanderweg nehmen, ein bisschen Sightseeing machen und dann zum Zeltplatz zurückgehen. Ich habe euch ja etwas anderes versprochen.«
Er sah in den Sack, der, wie Jenny erst jetzt auffiel, ziemlich prall gefüllt war.
»Rollenspiele«, sagte Beate jetzt, »sind keine Erfindung der Neuzeit. Schon die Schamanen der Steinzeit wussten, dass man sich mit den Ahnen – oder nennt es Götter, wenn ihr wollt – durch die entsprechende Kleidung verbinden kann. Eine Art magisches Theater.«
Während sie sprach, beförderten Markus und sie den Inhalt ihrer beider Säcke auf den Holztisch: jede Menge Kleidungsstücke, Lederschuhe, die aussahen wie Mokassins, aber auch Seile, Papier, sogar Messer und Kompasse.
»Wir teilen uns in drei Gruppen ein«, sagte Markus. »Wir nennen sie die Germanen, die Kelten und die Römer. Eine Gruppe besteht aus sechs Personen. Jede bekommt Kompass und Karte, außerdem eine Beschreibung verschiedener Symbole und Dinge, die euch auf der Suche begegnen können. Ihr werdet im Abstand von fünfzehn Minuten starten. Beate nimmt die Zeit. Welche Gruppe in der kürzesten Zeit die Thingstätte erreicht hat – und auf die richtige Art und Weise –, wird heute Abend den Luxus haben, von den anderen bekocht zu werden.«
Ein Jubeln ging durch die Gruppe und vereinzeltes Stöhnen war zu hören.
»Fräulein Firnbach kann bestimmt super kochen!«, rief Max.
Markus lächelte. »Dem jungen Herrn mit der femininen Frisur wird eine ganz andere Aufgabe zukommen. Aber das soll nicht eure Sorge sein.«
Sie traten an den Tisch. Jenny befühlte die Stoffe, die Beate aus ihrem Rucksack ausgepackt hatte. Kleider und Umhänge aus Leinen und Baumwolle. Gefärbtes Leder lag weich und anschmiegsam in Jennys Hand.
Ihr Blick fiel auf Finn. Sie fragte sich, warum sie auf seinem Gesicht keine Regung lesen konnte. Er strich sich die Haare zurück und sah unbeteiligt in die Gruppe. Nein, dachte Jenny, er sieht durch alle hindurch.
»Wow«, riss Deborahs Stimme sie aus ihren Gedanken, »schau dir mal das an!« Sie hatte sich ein weißes Leinenkleid geschnappt und hielt es vor sich hin. »Steht mir das?«
»Siehst aus wie eine Volksmusiksängerin«, sagte Silvio, »Marianne irgendwas.«
Deborah kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und gab ihm einen Knuff in die Seite.
»Diese Kostümierung dient nicht eurer Erheiterung«, sagte Markus. »Ihr sollt durch sie die Möglichkeit haben, wirklich in eure Rollen zu schlüpfen. Außerdem erlebt ihr auf die Art, wie es ist, beispielsweise in Römersandalen durch die germanischen Sümpfe zu stapfen.«
Miro hielt eine der Sandalen hoch und rümpfte die Nase. »Igitt.«
»Die römischen Legionäre legten eine erstaunliche Disziplin an den Tag«, wandte sich Markus an ihn, »sonst wären sie niemals so erfolgreich gewesen.«
»Aber die Germanen haben sie besiegt«, warf Pauline ein. Sie klang, als habe sie eigenhändig eine ganze Kohorte bis an die Zähne bewaffneter Römer vertrieben.
Markus lächelte. »Das ist eine andere Geschichte«, sagte er.
Pauline strich andächtig über ein Lederkleid.
»Wo haben die nur die Sachen her«, wunderte sich Jenny, während Markus mit einem Beutel herumging, in dem sich kleine Zettel befanden. Jeder sollte einen ziehen, um zu erfahren, welcher der drei Gruppen er angehören würde.
»Der Heimatverein hat eine Menge Zeugs«, sagte Debbie leise. »Für Rollenspiele, Theaterstücke und so.«
Markus kam mit dem Beutel immer näher. Die ersten steckten bereits die Köpfe zusammen, um herauszufinden, wer zusammengehörte. Dann stand Markus vor Jenny. Sie griff in den Filzbeutel und zog einen Zettel. »Kelten« stand darauf. Neben sich hörte sie Pauline laut fluchen.
»Was hast du?«, fragte sie und sah über Jennys Schulter. »Scheiße, du auch«, sagte sie. »Ich will zu den Germanen!«, rief sie dann.
Frederik rollte mit den Augen. »Wozu, meinst du, haben wir wohl gerade die Zettel gezogen?«, rief er herüber. Pauline schmollte zwar noch, schien sich aber mit dem Schicksal abzufinden.
Nur Deborah war völlig
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