Wach (German Edition)
Spielplatz sind. Sie haben nichts mitbekommen, ein Kind buddelt, eins rutscht, eins wackelt über eine Hängebrücke. Doch da, auf dem Holzturm, steht ein Mädchen und starrt dorthin, wo auch August eben hingestarrt hat, in den aufgewühlten Sand. August guckt das Mädchen an, ihre Blicke begegnen sich, er überlegt, es anzusprechen, vielleicht hat es Angst? Aber jemand kommt ihm zuvor, der dicke Junge, er trägt keine Chipstüte mehr bei sich, sondern einen Karton, aus dem er dem Mädchen ein verpacktes Eis anbietet. Das Mädchen nimmt es und packt es aus, der Junge klettert, wieder nur mit einer Hand, die Leiter hinab und geht zum nächsten Kind. Pit ist noch immer an der Pumpe beschäftigt, bibbernd, sein Hemd ist klitschnass, die Lippen blau. August lässt endlich den Ast los und nimmt den Beutel, den Manja ihm mitgegeben hat, um Pits Kleider zu wechseln. Als er Pit das trockene Hemd über den Kopf zieht, kommt der dicke Junge und fragt: «Will er auch?» August sagt, nein danke, der Kleine habe vorhin schon ein großes Stück Kuchen gegessen. «Okay», sagt der dicke Junge und läuft davon. August sieht ihm nach, wie er weiter Eis verschenkt, und schämt sich, dass er die Freundlichkeit des Jungen mit einer Lüge abgewehrt hat. Pit hat nichts mitbekommen, sein Kopf hat unter dem Hemd gesteckt; jetzt schaut er August fragend an, vielleicht hat er das Wort Kuchen aufgeschnappt.
Pit sitzt auf Augusts Schultern, Salome geht schweigend neben ihnen, was wälzt sie wohl in ihrem Kopf? Erstaunlich schwer, ein Zweijähriger, denkt August, beladen wie ein Tragetier schleppt er sich den Gehweg entlang. Pit beginnt vor guter Laune auf Augusts Schultern zu hüpfen und ruft: «Gaugus tagen, Gaugus tagen!», und fängt an zu lachen, als hätte jemand ihn aufgezogen. Da beginnt auch Salome zu lachen, und da muss auch August lachen, und lachend bewegen die drei sich die Straße entlang, tänzelnd: Amazone, Reiter und Lastesel.
Leicht geht es sich, wie beflügelt, ohne dreizehn Kilo auf den Schultern. Dabei kommen sie nur meterweise voran, zwei Schritte vor, anderthalb zurück, immer wieder bleiben sie stehen. Ein Schuljunge brüllt wie von Sinnen: «Wie heißt du? Wie heißt du?» Der alte Orang-Utan, machtvoller Waldhippie, betrachtet über den Wassergraben hinweg den brüllenden Jungen. August fragt sich, ob der unbewegte Blick des Affen stoisch oder entgeistert ist. Manja, die im Schatten steht, am plätschernden Bächlein, schaut mit zusammengekniffenen Augen zu August herüber und ruft: «Wir müssen noch Eis essen gehen!» Pit, stark verschnupft, scheint das Eis vergessen zu haben, er steht auf einer Bank, schaut über die Mauer und ruft heiser: «Gogilla, komm hraus! Gogilla, komm hraus! Büddebüddebüdde–» Aber der Gorilla lässt sich nicht blicken, vielleicht ist ihm zu heiß. Auch August möchte den Gorilla sehen; während er Pit betrachtet, kommt er sich wieder groß und schwerfällig vor, er wäre gern wie der Gorilla: so groß und doch friedfertig, in der riesigen Pranke ein Zweiglein, gleichmütig knabbernd. Ein Gorilla kann keine Schlafprobleme haben, denkt August; aber im letzten Winter stand in der Zeitung, man solle die Affen im Zoo besuchen, in der dunklen Jahreszeit fühlten sie sich einsam, litten an Schwermut. Pit leiert in einem fort: «Gogilla büddebüdde», aber schaut längst anderswohin. Gemächlich erhebt sich der Orang-Utan und geht weg. Jetzt überschlägt sich die Stimme des Schuljungen: «Wie – heißt – du!», kreischt er dem Orang-Utan nach, der ihn nicht mehr beachtet. Plötzlich, wie umgeschaltet, dreht der Junge sich um und rennt davon. Salome steht vor dem Pavianfelsen und ruft August zu: «Kannst du dir vorstellen, dass die Rotärsche die Welt beherrschen werden, wenn der Mensch ausgestorben ist?» «Hat Fatma das erzählt?», fragt August zurück. «Können wir bitte zu den Raubvögeln gehen?», ruft Salome. Doch August muss Pit folgen, der von der Bank hinunterspringt und zum nächsten Gehege läuft. Hinter der Glasscheibe greift ein zerstrupptes Bonobo-Weibchen nach ihrem Jungen und hängt es sich an den Bauch. Drei größere Bonobos toben wild herum, Seile und Äste schwingen und schaukeln. Das Junge löst sich immer wieder vom Fell der Mutter und greift nach einem Seil, will mitrasen, aber die Mutter fängt es sofort ein und hängt es sich wieder an den Bauch. Schließlich saust eins der größeren Tiere haarscharf an Mutter und Kind vorbei, das Kind jauchzt, die Mutter
Weitere Kostenlose Bücher