Wachgeküßt
versorgt.
»Manchmal sind die Dinge gar nicht so, wie sie zu sein scheinen...« ist alles, was ich hervorbringe, wobei ich mit den Augen rolle wie ein Kaninchen mit Myxomatose.
»Schön.« Jake sieht mich befremdet an. »Abgabe nächste Woche, okay?«
Ich beschließe, mich ein bißchen verwöhnen zu lassen, um mich aufzuheitern.
Warum ich mich besser fühle, nachdem mir irgendeine stämmige, muskulöse Frau heißes Wachs auf den Beinen verteilt und mir dann alle Härchen ausgerissen hat, weiß ich nicht, aber es ist so. Vielleicht ist das der schmale Grat zwischen Schmerz und Vergnügen.
Außerdem beschließe ich, daß ich mir mal wieder die Haare schneiden lassen könnte. Was für ein seltsamer Mythos, daß, egal, wie schlecht man sich fühlt oder wie beschissen das Leben ist, eine neue Frisur garantiert alle Probleme behebt.
Einen Termin bei meinem Friseur Harry zu bekommen ist schwieriger, als einen Tisch im In-Restaurant Ivy zu ergattern. Man muß mindestens drei Monate im voraus reservieren. Glücklicherweise ist er ein alter Freund, und als ich anrufe und am Telefon einen auf verwirrt und elend mache, wird mir sofort einer der begehrten und überaus seltenen Termine zugewiesen, die durch Absagen frei werden.
Zwei Tage später werde ich von einer Juniorstylistin einshampooniert, die ernsthaft am prämenstruellen Syndrom leidet und meine Kopfhaut abwechselnd mit kochendheißem Wasser überbrüht und mit eisigen Wasserschwällen zum Gefrieren bringt.
Dann werde ich tropfend zu einem von Harrys Spiegeln hinübergerollt, wo mir eine Tasse ekelhafter Kaffee und eine Ausgabe von Hello mit Fergie auf dem Cover vorgesetzt werden. Damit soll ich die Dreiviertelstunde totschlagen, die ich auf ihn warten muß, bis er mit der Kundin vor mir fertig ist.
Schließlich kommt er zu mir geschlendert, legt mir die Hände auf die durchweichten Schultern und strahlt mein Spiegelbild an.
»Was möchten wir denn heute haben, Herzchen?« Harrys Lächeln gleicht dem eines Irischen Setters mit einem großen Stock im Maul.
Ich lasse meine gründlich durchgeblätterte Zeitschrift sinken.
»Brad Pitt und Tom Cruise in einem Sex-Sandwich?«
»Ich bin Friseur, kein Zauberkünstler. Außerdem ging es um deine Haare, deine... äh... Frisur? Obwohl ich das Wort >Frisur< sehr weit fasse.« Er läßt seine langen Finger verächtlich durch meine schlaffen Locken gleiten.
»Och, ich weiß auch nicht... ich will einfach nur toll aussehen.«
»Schätzchen, ich habe dir doch schon gesagt, ich bin Friseur, kein Zauberkünstler.«
Ich antworte mit einer Grimasse.
»Du bist doch angeblich ein Topstylist, Harry, also mach deine Arbeit und fang an zu stylen, okay?«
»Ich brauche schon einen kleinen Hinweis darauf, wie du danach auszusehen gedenkst.«
»Ich hab’s mir ungefähr wie eine Mischung aus Liz Hurley und Rachel aus Friends vorgestellt... ein bißchen glamourös, aber trotzdem praktisch. Eine Frisur, die ich nicht acht Stunden lang mit acht Litern Schaum und einer Bürste, die wie eine Waffe aussieht, frisieren muß.«
Harry wühlt mit beiden Händen in meinem Haar herum, so daß es schlaff auf beiden Seiten des Gesichts herunterhängt und genau wie das übliche, langweilige, struppige Durcheinander aussieht.
»Also nur Spitzen schneiden?« fragt er.
»Ja«, seufze ich, »nur Spitzen schneiden.«
»Also, was hast du mir zu berichten?« Er fängt an, mit der
Schnelligkeit und dem Geschick eines schwertschwingenden Ninjas mit der Schere zu hantieren. »Was gibt’s Neues?«
»Och, nichts Besonderes...«
Harry seufzt. Er liebt guten Klatsch.
»Nur das eine: Ich habe Max verlassen und mich in das wilde Singleleben gestürzt.«
»Oho!« Seine Augen glitzern. »Erzähl mir alles!«
»Tja, ich muß beschämt zugeben, daß es nicht gerade viel zu erzählen gibt. So wild war es in meinem Fall dann gar nicht. Ich glaube, etwas an meiner Technik ist falsch.«
»Na, dann bist du ja hier an der richtigen Adresse. Technik ist meine Stärke.«
»Ach ja?«
»Ich bin nicht nur mit der Schere in der Hand ein Künstler, mußt du wissen. Das ist einer der Vorteile, wenn man Friseur ist: Man wird in die Geheimnisse seiner Kunden eingeweiht. Ich bin ein wahrer Sextherapeut. Ich habe mehr Sexgeschichten gehört als der Herausgeber von Penthouse.« Er greift nach einem Zerstäuber und nebelt meine trocknenden Locken ein.
»Na los, frag mich etwas«, sagt er vertraulich.
»Okay. Hat ein Mann Sex mit einer Frau, auf die er nicht
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