Wachgeküßt
auf seinem Stuhl, ein Bein über das andere gelegt, so daß der linke Knöchel auf dem rechten Knie ruht, ganz entspannt, aber dabei souverän und gelassen... ganz so wie in besagter Nacht – entspannt, aber souverän. Himmel. Ich weiß, daß man sich, um die Nervosität vor einem Treffen abzubauen, sein Gegenüber nackt vorstellen soll, aber das ist doch lächerlich! Ich schüttele den Kopf und versuche so, das Bild von mir und Jake – erhitzt, nackt und lachend – loszuwerden und es durch das zu ersetzen, was ich vor mir sehe. Jake Daniels. Mein Chef. Der Mann, der mich mit einem Fingerschnippen rauswerfen könnte. Dieser Gedanke wirkt irgendwie ernüchternd auf mich.
Er hatte wohl auch auf meine Kollegen einen ziemlich ernüchternden Effekt. Ich habe sie, glaube ich, noch nie so... so lebhaft und begeistert erlebt, alle sitzen aufrecht und sind hellwach, ganz im Gegensatz zum üblichen Dämmerzustand oder Katzenjammer. Alle sind völlig wild darauf, Ideen in die Runde zu werfen, statt vage um sich und auf die anderen zu blicken und darauf zu hoffen, daß jemand anderer einen Geistesblitz hat und ihnen die Anstrengung erspart.
Jake verströmt einfach Coolness, Ruhe und Zuversicht.
Selbst Harvey ist bemüht, Eindruck zu schinden, dabei denkt er sonst eigentlich immer, daß er das nicht nötig hat.
Jetzt sieht Jake mich direkt an. Ich glaube, gerade hat er mich etwas gefragt. Wenn ich doch nur wüßte, was.
Zaghaft tauche ich hinter meiner Mappe auf, schließlich liegt mein Gesicht völlig bloß. Er läßt keine Gelegenheit aus, mich zu drangsalieren.
»Nachdem Ihnen die Einleitung letzte Woche entgangen ist, Alex, könnten Sie mir vielleicht ein bißchen über sich erzählen und darüber, wie Sie Ihren Job hier bei Sunday Best sehen.«
Er schaut mir direkt in die Augen, ich muß seinem klaren Blick standhalten. Sämtliche Gedanken an meinen Job sind so weit von meinem Kopf entfernt wie Clacton vom Taj Mahal.
»Ähhh...« erwidere ich wortgewandt.
Super, Alex. Eine Journalistin, der absolut die Worte fehlen.
Den ganzen Tag warte ich darauf, daß er einen ruhigen Moment abpaßt, um etwas zu sagen, mich in sein Büro kommen zu lassen, mich rauszuschmeißen, mir eine geharnischte Rede zu halten über das, was sich für geschäftliche Beziehungen gehört – Himmel, sogar um mir anzubieten, mich ein paarmal um seinen Schreibtisch zu jagen, bevor er es mir dann ordentlich auf seinem Drehstuhl besorgt.
Nichts.
Wir treffen uns sogar einmal in einem leeren Korridor, aber er sieht mich einfach nur mit diesem entwaffnenden Lächeln an.
Es scheint seit neuestem zum guten Ton zu gehören, erst nach dem Chef das Büro zu verlassen. Das ist kein Problem für mich, den größten Teil des Tages habe ich geradezu wie festgenagelt an meinem Schreibtisch gesessen und mir die Finger wundgeschrieben, den Kopf tief gebeugt. Nur, wenn er nicht in seinem Büro war, habe ich es gewagt, aufs Klo zu flitzen oder mir eine Tasse Tee zu holen. Ich habe nicht die Absicht, die Aufmerksamkeit dadurch auf mich zu lenken, daß ich früher als er gehe. Um zwanzig nach acht verläßt er endlich das Büro. Dem folgen kurze Zeit später ein kollektiver Seufzer der Erleichterung und der allgemeine Aufbruch.
Bis ich zu Hause bin, ist es fast schon dunkel.
»Emma!« schreie ich laut und renne ins Haus. »Emma!«
»Ich bin hier«, ruft sie aus der Küche.
Sie sitzt am Tisch und liest einen Finanzbericht, der fast so dick ist wie das örtliche Telefonbuch.
Als sie mein rotes Gesicht und meine Aufregung sieht, schiebt sie ihn zur Seite, zieht einen Stuhl im rechten Winkel zu sich heran und klopft einladend auf den Sitz.
»Reg dich ab, und setz dich, Babe. Was ist denn los?«
Ich setze mich neben sie an den Tisch und fühle mich so angespannt wie Katzendärme, die auf einen Tennisschläger aufgezogen sind. Ich kralle mich an der soliden Tischplatte fest, um Halt zu finden.
»Der neue Boß... du wirst es nicht glauben...«
»Er ist wahnsinnig süß, reich, hat dich gefragt, ob du ihn heiratest, und ihr werdet aufs Land ziehen, großartigen Sex und genau zwei Komma fünf bezaubernde Kinder haben, stimmt’s?« Ems lacht.
»Mach dich nicht darüber lustig!«
»Was, ist er etwa wirklich süß und reich und hat dich gefragt, ob du ihn...«
»Emma! Halt die Klappe, mir ist es ernst!«
Sie sieht den Ausdruck der Panik in meinem Gesicht.
»Ja, es scheint so, hm? Sorry.« Sie steht auf und setzt den Teekessel auf, greift in den
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