Wachgeküßt
Weg.«
Ich kann es nicht vergessen, weil ich es nicht aus meinem Gedächtnis streichen will. Ich hatte nur ein einziges Mal in meinem Leben tollen Sex, und jetzt soll ich das einfach vergessen? Ach, warum ist das Leben nur so grausam? Ich brauche noch mehr tollen Sex. Je eher, desto besser. Als ich heute in diesem aufgeheizten Büro saß, konnte ich seinen Geruch wahrnehmen. Nicht nur den intensiven Zitrusduft seines Aftershaves, sondern den frischen Duft seiner warmen Haut. Das letzte Mal, als ich diesen Geruch in der Nase hatte, konnte ich ihn auf meiner Zunge schmecken...
Ich verpasse mir das gedankliche Gegenstück zu einer kalten Dusche und stelle mir Damien vor, nackt bis auf die Mickey-Maus-Socken und mit fluoreszierendem Kondom. Dieser Gedanke hat etwa die gleiche Wirkung auf meine Libido wie ein starker Strahl kalten Wassers auf ein Flämmchen.
Traurig, wirklich.
Ich habe immer gedacht, daß Sex völlig überbewertet wird. Jedesmal, wenn Emma von einer heißen Nacht mit irgendeinem Mordskerl schwärmte, habe ich mich gefragt, weshalb sie bloß soviel Wirbel darum macht.
Jetzt habe ich endlich entdeckt, daß auch ich einen Sex-Drive habe. Und der ist nicht wie ein alter verrosteter, Nullachtzehn-Lada mit 0,9-Liter-Motor, wie ich immer geglaubt habe. Mein
Sex-Drive gleicht einem schnellen, röhrenden, benzinschluckenden Ferrari. Ich weiß, ich weiß, Ferraris sind stromlinienförmiger als ich. Ich werde wohl ewig mit mir hadern, weil ich erst nach meinen besten Jahren entdeckt habe, daß ich es genieße, nackt mit Angehörigen des anderen Geschlechts zusammenzusein. Ich habe die zellulitisfreien, schmalhüftigen, knackarschigen Jugendjahre damit vergeudet, eine professionelle Jungfrau zu sein, und war auch noch stolz darauf, alle erotischen Angebote auszuschlagen und auf den Richtigen zu warten. Wenn ich einige dieser Angebote angenommen hätte, dann wäre mir vielleicht viel, viel früher aufgefallen, wie unrichtig der angeblich Richtige, nämlich Max, war. Es deprimiert mich, daran zu denken, daß ich die Erfahrungen, die ich mit Jake gemacht habe, schon seit zehn Jahren hätte machen können.
Noch mehr aber deprimiert mich der Gedanke, daß ich vielleicht weitere zehn Jahre warten muß, bis ich wieder solche Erfahrungen mache. Wenn ich Glück habe. Wenn ich kein Glück habe, dann werde ich nie wieder die Erfahrung machen, wie es ist, überwältigenden Sex zu haben.
Die Türklingel verkündet Serenas Ankunft. Ich muß alles noch mal von vorn erzählen, diesmal aber detailgetreu, weil sie zu den Leuten gehört, die alles ganz genau wissen wollen, damit sie es sich bildlich vorstellen können.
Genau wie Emma findet sie das alles höchst amüsant.
Könnte ich es doch nur genauso betrachten wie die beiden.
Das kann ja heiter werden. Jedesmal, wenn ich den Kerl jetzt treffe, werde ich an nichts anderes als an die Nacht im Hotel denken können, wo ich meine Kleider und meine Hemmungen mit beängstigender Eile losgeworden bin.
Jake Daniels. Der erste Strich auf meiner Liste.
Jake Daniels. Mein neuer Boß.
Vielleicht sollte ich sie wie zwei völlig verschiedene Personen betrachten. Die eine existiert in der Erinnerung, die andere in der
Gegenwart. Ich muß nur darauf achten, sie bei der Arbeit auseinanderzuhalten. Heute habe ich jedesmal, wenn ich Jake angesehen habe, daran gedacht, wie er und ich... na ja, der Rest ist wohl ausreichend bekannt.
Die Arbeitswoche verläuft ziemlich ereignislos.
Obwohl die Gerüchteküche brodelt und es heißt, daß große Veränderungen ins Haus stehen, Einschnitte, Entlassungen, ist noch niemand vor die Tür gesetzt worden.
Nach zwei Jahren der Mißwirtschaft unter dem rüden Rodney, in denen ich meine Arbeit habe schleifen lassen, verspüre ich plötzlich das intensive Verlangen, meinen Job zu behalten.
Ich schreibe mir die Finger wund, das andauernde Rattern der Tastatur gleicht dem Scheppern eines Maschinengewehrs.
Ich hoffe nur, daß ich nicht gefeuert werde. Mein Posten war nie wirklich ein Vollzeitjob, normalerweise arbeite ich etwa drei Tage in der Woche für die Zeitung, den Rest der Zeit schreibe ich an meinem Roman. Diese Woche aber habe ich episch lange Artikel für die Zeitung verfaßt, statt Romanseiten für einen noch unbekannten Verleger.
Gott sei Dank sehe ich nicht allzuviel von Jake, anscheinend verbringt er den größten Teil seiner Zeit in endlosen Meetings mit den Typen aus der Chefetage. Doch ich bin immer noch völlig am Ende mit den
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