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Wachgeküßt

Wachgeküßt

Titel: Wachgeküßt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Harvey
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schön, daß wir unser eigenes Land bewerben, aber es gibt noch mehr auf der Welt als Großbritannien...«
    Jetzt hört er sich ganz normal an, völlig ernst. Bilde ich mir den Unterton etwa nur ein? Vielleicht spielt er nur mit mir, um sich zu rächen.
    Ich nehme mein Herz in beide Hände, blicke auf und ihm geradewegs in die Augen. Ich suche nach etwas, ich bin mir nicht sicher was, irgend etwas hinter dieser coolen Fassade, das mir die Wahrheit verrät. Ein Aufleuchten, nur ein Flackern, das zeigt, wir verstehen uns. Unsere Blicke treffen sich.
    Er ist völlig undurchschaubar.
    Beim Poker wäre er unschlagbar.
    Bisher habe ich mich zurückgehalten, doch nun bin ich wirklich versucht, den Stier bei den Hörnern zu packen und meinen Artikel über das Priory vorzulegen. Nur um zu sehen, ob er reagiert.
    Er redet immer noch.
    »Und ich bin auch nicht der Ansicht, daß wir ein wöchentliches Erscheinen dieser Rubrik rechtfertigen können... Mögen Sie Ihre Arbeit, Alex?«
    Diese Frage lenkt mich endgültig von jedwedem Gedanken an heiße Hotelnächte ab und bringt mich zurück zum eigentlichen Gesprächsthema.
    Ich nicke langsam.

    »Ich persönlich denke ja, daß Sie Ihr Talent vergeuden.«
    Hilfe! Wie ich es vermutet habe: Er haßt mich, und das ist die Einleitung, um mich loszuwerden.
    »Sie schreiben verdammt gut, Alex.«
    Jämmerlich sitze ich da und warte auf das >Aber<.
    »Aber...«
    Jetzt kommt’s.
    »Ich denke, daß Sie Ihre Zeit vergeuden.«
    Warteschlange Arbeitsamt, ich komme. Ich starre auf meine Füße.
    »Ich sähe Sie gerne auf einem anspruchsvolleren Posten.«
    Juchheee, ich bin nicht gefeuert! Fortan stricke ich das Muster des Monats, oder ich mache das Wochenendwetter.
    Stürmische Aussichten. Drohende Sintflut.
    Ich beiße mir auf die Unterlippe, weil sie zittert.
    »Harvey verläßt uns.«
    »Ich weiß«, murmele ich.
    »Ihn verlangt es nach Höherem. Er hat sich von den Jungs in der Fleet Street Sand in die Augen streuen lassen. Der bessere Journalismus«, sagt Jake und hebt spöttisch die Augenbrauen. Offensichtlich zitiert er den Mann wörtlich. Er hält inne, als würde er eine Antwort erwarten.
    »Das wollte er schon immer machen«, ist alles, was ich zustande bringe.
    »Das bedeutet, daß ich jemand Neuen für das Ressort Feature brauche, aber mein Budget reicht nicht aus, um ihn zu ersetzen. Theoretisch gesehen haben wir schon zu viele festangestellte Redakteure. Und ich befürchte, daß das, was Sie machen, eine Vollzeitstelle nicht rechtfertigt.«
    Jake lehnt sich zurück und verschränkt die Hände unterm Kinn.
    Ertappt! Jetzt wird er mir gleich in Aussicht stellen, als freie Redakteurin weiterzumachen. Nie wieder ein monatlicher Gehaltsscheck.
Ich werde als armer Schreiberling mein Dasein fristen, in einer zugigen, unmöblierten Mansarde hausen und auf die Ränder der alten Zeitungen schreiben, unter denen ich schlafen muß...
    »... bitte ich Sie, beides zu kombinieren und fortan auch Features für mich zu schreiben.«
    »Wirklich?« Ein Hoffnungsschimmer keimt in mir auf. Es gelingt mir, den Blick von den glänzenden Spitzen meiner Schuhe loszueisen, und zu ihm hinüberzuschielen.
    Er sieht mich mit diesem irritierenden, direkten Blick an, der für ihn typisch ist. Bei dem man am liebsten anfangen möchte, wie ein ungezogenes Schulmädchen, das vor dem Büro der Direktorin wartet, zu zappeln.
    »Meinen Sie wirklich, daß ich die Richtige dafür bin?« Plötzlich komme ich mir völlig unzulänglich vor. Die einzige Abwechslung zum Reiseressort, die ich unter der Ägide des alten Rodders hatte, waren die blöden Füllsel. Top-Ten-Listen, banale Rätsel und solche Sachen. Ich habe immer davon geträumt, die Chance zu erhalten, etwas Anspruchsvolleres zu machen. Aber dann habe ich mich mit dem Routinejob abgefunden und meine Ambitionen und die Hälfte meiner Arbeitszeit in meinen unvollendeten Roman gesteckt.
    »Sie schreiben sehr gut, Alex. Ich glaube nicht, daß das Reiseressort Sie voll auslastet. Und ich bin der Ansicht, daß Sie unterfordert waren. Ich behaupte nicht, daß das Ihr Fehler ist, aber wir müssen wohl Ihren Horizont ein bißchen erweitern.«
    »Damit ich mich bezahlt mache«, platze ich heraus.
    »Nun, so hätte ich es nicht unbedingt ausgedrückt.« Er zieht die Brauen in die Höhe, doch das Lächeln bleibt unverändert. »Ihnen ist wahrscheinlich bewußt, daß mein Vorgänger die Dinge ein wenig hat schleifen lassen.«
    Das ist zwar eine heftige Untertreibung, aber ich

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