Wachgeküßt
hüte mich, etwas zu sagen.
»Meine Aufgabe ist es nun, diese Beilage wieder auf Vordermann zu bringen. Etwas daraus zu machen, das die Leute wieder lesen wollen. Leider haben eine Menge Leute vergessen, wie wichtig unsere Beilage für die Zeitung ist, ärgerlicherweise vor allem diejenigen, die Sunday Best herausgeben. Wir sollten ein Joumal machen, das einen wesentlich höheren Standard hat. Mit moderneren Themen. Wir müssen aus Sunday Best etwas machen, was die Leute auch am Kiosk kaufen würden, wenn sie es nicht umsonst mit ihrer Zeitung bekämen...«
Es kommt mir so vor, als hätte ich während der letzten zehn Minuten nicht ausgeatmet. Ich werde meinen Job nicht verlieren. Das hier ist sogar eher so etwas wie eine Beförderung. Ich atme aus und entspanne mich ein bißchen.
»Sie wissen, wie das funktioniert: Wir alle sammeln Ideen. Auch Sie tragen einige dazu bei, und wenn sie ins Konzept passen, dann dürfen Sie sie ausarbeiten. In Zukunft gilt die übliche Deadline, aber da Harvey noch einige Wochen bei uns bleibt, haben Sie ein bißchen mehr Zeit, um sich mit Ihrem ersten Thema zu beschäftigen. Ich gebe Ihnen jetzt einen groben Aufriß, und Sie legen mir dann einen Entwurf vor, in... sagen wir, drei Wochen?«
Ich nicke. Es gelingt mir sogar, etwas Begeisterung an den Tag zu legen und kurz zu lächeln.
Jake reicht mir eine blaue Akte.
»Lesen Sie sich das mal durch. Es enthält Angaben dazu, wie ich mir den Artikel vorstelle. Ein paar Ideen, mit denen Sie anfangen sollten: Hintergründe, Quellen, Sachen in der Art.«
Ich öffne die Akte und werfe einen Blick auf das Deckblatt.
Ich lese den Titel oben auf der ersten Seite: »Das unfaire Geschlecht.«
»Mmm.« Jake nickt. »Ich meine das so: Zur Abwechslung schlüpft einmal die Frau in die Rolle des Mannes. Das ganze Konzept vom Mann als dem ewigen Raubtier wird auf den Kopf
gestellt. Wie verändert sich die Rolle der Frauen beim Sex im ausgehenden Jahrtausend? Wollen sie nur die Gleichberechtigung, oder sind sie auf völlige Dominanz aus? So was in der Art.«
Er verarscht mich doch, oder? Seine Mundwinkel zucken, während er spricht.
»Werden Frauen in sexueller Hinsicht aggressiver? Nehmen sie ihr Liebesleben selbst in die Hand, oder ahmen sie nur das Spiel der Männer nach? Wenn das der Fall ist, dann will ich wissen, wer als Gewinner hervorgeht. Das Ganze soll unterhaltsam sein. Schreiben Sie im Plauderton, wenn Sie können. Bei diesem Projekt würde ich gerne sehr eng mit Ihnen zusammenarbeiten... weil es Ihr erstes Projekt ist. Ich erwarte etwas ganz Besonderes von Ihnen, Alex. Sie werden das sicher sehr gut machen.«
Warum klingt aus seinem Mund alles so doppeldeutig? Ich bin mir sicher, daß er sich einen Spaß mit mir erlaubt. Wahrscheinlich denkt er, daß ich eine gefühllose Schlampe bin, die sich genommen hat, was sie wollte, um danach einfach zu gehen. Aber genau so sollte ich mich ja auch verhalten, oder? Warum bin ich dann so aufgebracht darüber, daß Jake das denkt?
Ich beiße mir fest auf die Unterlippe, damit sie aufhört zu zittern, weil ich den Tränen nahe bin. Sie wird ganz taub.
Jetzt muß ich wohl etwas sagen. Aber was?
Da lächelt er mich an. Ein offenes, ehrliches, direktes, sogar freundliches Lächeln. Keine Spur von Ironie, kein Zynismus, keine Tücke.
Das haut mich völlig um.
Es wird noch schlimmer, als er aufsteht, um den Schreibtisch herumgeht und mir seine Hand hinhält.
»Natürlich gibt’s auch ein bißchen mehr Geld. Ich bin leider im Moment nicht in der Lage, Ihnen viel anzubieten, fürchte ich... wären zweitausend mehr okay für Sie?«
Ich nicke wie gelähmt.
»Wunderbar. Ich lasse Ihnen einen neuen Vertrag zukommen.« Er ergreift meine Hand. Er schüttelt sie nicht, wie ich angenommen habe. Er hält sie nur kurz. Meine zittert. Seine ist warm, fest und ganz ruhig.
Dann läßt er los.
Alles, was er gerade zu mir gesagt hat, mein gesunder Menschenverstand, mein Gleichgewichtssinn, alles ist mit dieser einen, kurzen Berührung wie weggewischt. Diese Berührung löst Erinnerungen aus, heiße Erinnerungen an den besten Sex, den ich je in meinem Leben hatte... Erinnerungen, die für mindestens eine Woche ein Lächeln auf mein Gesicht gezaubert haben, und die ich jetzt zu meiner Verwirrung höchst peinlich, aber auch höchst erotisch finde.
Ich stolpere ziemlich verwirrt aus seinem Büro und lasse mich auf meinen Stuhl fallen. Gerade habe ich die Chance bekommen, nach der ich mich immer gesehnt
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