Wachgeküßt
unfreundlich und gibt Ren widerstrebend die Bierflasche zurück.
»Stimmt. Ich will ja nicht zu hart sein, aber du bist nicht gerade zugänglich, wenn wir ausgehen, Lex«, ergänzt Ren. »Du errichtest eine quasi unüberbrückbare Barriere. Dabei fürchten Männer sich doch so davor, abgelehnt zu werden.«
»Wirklich?« frage ich und stelle mir vor, daß ich mit einer Art Kraftfeld aus zähem Haferschleim umgeben bin, das jeden Mann, der näher als einen Meter an mich herankommt, sofort befällt.
Diese Vorstellung finde ich gar nicht so schlecht.
Emma nickt zustimmend.
»Du wirst nur deshalb nicht angequatscht, weil die Männer Angst davor haben, sich dir zu nähern.«
Ob sie damit recht haben? Das wäre immer noch besser als meine Theorie, daß mich niemand anspricht, weil ich so attraktiv bin wie ein Heilbutt, der schon seit einer Woche tot ist.
»Aber ich dachte, daß wir diejenigen sein sollen, die die Anmache starten, und nicht darauf warten, daß die Männer auf uns zugehen?« frage ich leicht verwirrt.
»Tja, die Antwort liegt im Detail. Subtile Signale sind wichtig.« Soweit Emma, die sich gerade ein Fläschchen Smartie Blue Hard Candy schnappt und beginnt, jeden zweiten Nagel ihrer linken Hand anzumalen. »Wenn du die richtigen Signale aussendest, dann kommt der Mann auf dich zu, aber du hast ihn dazu gebracht, das zu tun, indem du eben die richtigen Signale ausgesandt hast, also hast eigentlich du den ersten Zug gemacht.«
»Genau«, stimmt Serena zu. »Du entdeckst etwas, was du haben willst, und du mußt es dir holen.«
Sie erklärt diese Philosophie, indem sie mir von ihren beiden letzten Eroberungen erzählt. Serena macht also einen Typ in einem gut besuchten Bistro aus – der Rahmen ist ja allseits bekannt – und befindet, daß er durchaus passabel ist. Sie beobachtet ihn eine Zeitlang, bewundert den knackigen Hintern in der Levi’s, die Art, wie das schimmernde braune Haar über die blauen Augen fällt. Ihr gefallen die kleinen Fältchen um Mund und Augen, wenn er lächelt, und die Häufigkeit, mit der das geschieht. Sie überstürzt nichts. Sie wartet ab, bis er zur Theke geht, dann nähert sie sich langsam, bis sie neben ihm steht. Es ist gedrängt voll, weshalb sie dauernd aneinanderstoßen. Augenkontakt wird hergestellt. Das nächste Mal, wenn sie von der Menge gerempelt wird, sorgt sie dafür, daß sie etwas heftiger gegen ihn stößt. Höfliche Entschuldigungen folgen. Sie lächelt und macht eine Bemerkung darüber, wie lange man doch warten muß, um bedient zu werden, dann kommt die Masche mit dem »Kennen wir uns nicht von irgendwoher?« – sie gibt ja zu, daß das ziemlich abgedroschen ist, aber abgedroschen scheint zu funktionieren – und so wird ein Gespräch angeknüpft. Als sie schließlich zuerst bedient wird, lädt sie ihn auf einen Drink ein, und presto, presto geht’s weiter im Takt.
Das gefällt mir. Was für eine Subtilität! Auch die Souveränität gefällt mir. Serena zufolge kann man bei dieser Methode einfach sein Getränk bestellen und verduften, falls man im Gespräch feststellt, daß der Auserwählte ein absoluter Blödmann ist.
Einen anderen Kerl hat sie anscheinend zusammen mit den Lebensmitteln im Supermarkt um die Ecke eingekauft. Er wartete neben einem Schild, auf dem stand »Für jedes gekaufte Exemplar eins gratis dazu«. Ich glaube, Ren hat ihm ein besseres Angebot gemacht. Das ist nicht fair. Alles, was ich außer Lebensmittel aus dem Supermarkt mitnehme, ist eine fette Rechnung.
Das alles notiere ich in dem kleinen Notizbuch in meinem Kopf, für meine Reportage und für den späteren persönlichen Gebrauch. Das nächste Mal, wenn ich ausgehe, sollte ich vielleicht einige von Serenas Techniken ausprobieren. Wenn ich dazu bereit bin... Oder sollte ich sagen, wenn ich dazu fähig bin? Nicht zum ersten Mal frage ich mich, warum ich diesem Wettkampf überhaupt zugestimmt habe.
Emma hält sich erstaunlich bedeckt, was ihre Masche beim Aufreißen betrifft. Man sollte meinen, ein solcher Männermagnet wie sie hätte eine Menge Geschichten zu erzählen, aber die muß man erst mal aus ihr herauskitzeln. Das ist so schwer, als wollte man gesunde Zähne ziehen.
»Ich will dem Gegner keine Bälle zuspielen.« Verschlagen grinst sie mich an. »Ich kralle mich mit meinen abgeknabberten Fingernägeln mühsam am zweiten Platz fest. Wenn ich dir jetzt verrate, wie man Männer aufreißt, dann bin ich womöglich zum Schluß noch die unglückliche Dumme auf dem
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