Wachgeküßt
tut als ob, ergänze ich in Gedanken und denke an unsere laufende Olympiade – und an mein Versagen, wenn es darum geht, mich an die Spitze zu setzen.
Erica fängt schallend an zu lachen.
»Liebes, du bist doch noch ein Baby! Wie willst du denn jemals verzweifelt gewesen sein?«
»Ich bin immerhin siebenundzwanzig. Ich komme mir alt vor.«
»Na und, ich bin dreiunddreißig. Wie fühlt man sich denn da deiner Meinung nach?«
»Ach, also du redest nur mit ihm, weil du verzweifelt bist?«
»Ich würde es nicht verzweifelt nennen, Alex, das hat so einen Beigeschmack von absolutem Loser, und so sehe ich mich nicht. Aber ich komme allmählich an einen Punkt, wo ich gerne eine ernsthafte Beziehung hätte und sie auch behalten möchte.«
»Wirklich? Aber du wolltest doch immer nur Karriere machen?«
»Habe ich ja auch, Lex. Ich habe ein Penthouse, eine Firmenlimousine, den Schlüssel zum Managerklo, das alles habe ich. Aber weißt du auch, wie leer und öde mein Leben ist ohne jemanden, mit dem ich es teilen kann?«
»Aber du liebst deinen Job doch?«
»Natürlich liebe ich meinen Job, aber das reicht nicht. Jetzt will ich auch den Ehemann und die Kinder, die dazugehören. Ich bin dreiunddreißig, und meine biologische Uhr tickt so laut, daß jeder denkt, ich bin das Krokodil aus Peter Pan .«
»Denkst du etwa darüber nach, ein Baby mit Mason zu haben?« Entsetzt sehe ich sie an.
»Wie wär’s, wenn ich erst mal Sex mit ihm habe und dann gucke, wie ich mich fühle?«
»Denkst du etwa darüber nach, Sex mit Mason zu haben?« frage ich genauso ungläubig.
»Er ist Single, betucht, heterosexuell, sportlich, hat noch seine eigenen Zähne und Haare, und soweit ich erkennen kann, sind alle seine Körperglieder intakt. Ich würde mal sagen, er ist ein ziemlich guter Fang.«
»Er hat die Persönlichkeit eines Narziß.«
»Willst du etwa auch noch Persönlichkeit bei all den anderen Vorteilen?« Sie spricht nur halb im Scherz. »Himmel, Alex, ihr Briten seid so kleinlich.«
»Falls du es vergessen haben solltest, auch du bist britisch«, erwidere ich säuerlich.
»Aber ausgebürgert, Kleines. Das macht einen Riesenunterschied.«
»Genau, du verlierst nämlich in jedem Jahr, das du in den Staaten verbringst, ein Zehntel deiner Hirnmasse! Erica, Mason ist ein egoistischer, egozentrischer, selbstverliebter, karrieregeiler Angeber.«
»Ja. Genau, wie wir New Yorker sie mögen. Weißt du, vielleicht nehme ich ihn mit nach Amerika.« Sie bricht ab, um sich mit dem Lippenstift über die gespitzten Lippen zu fahren. »Wenn ich ihn leid bin, kann ich ihn immer noch für ein paar tausend Dollar an meine Freundinnen verkaufen... Jetzt schau nicht so besorgt, Alex, ich finde ihn echt nett.«
»Wirklich?«
»Logisch. Er ist intelligent, aufmerksam und ziemlich brillant...«
»Entschuldige mal, aber sprechen wir hier eigentlich über ein und dieselbe Person?«
»Alex! Er hat gedacht, du wärst der Typ Frau, die nach außen still und schüchtern, aber tief in ihrem Innern eine unterdrückte Nymphomanin ist.«
»Das hat er gesagt?« erwidere ich entsetzt.
»Klar. Erkennst du jetzt, wie leicht es ist, einen falschen Eindruck von jemandem zu bekommen?« Sie hakt sich bei mir unter. »Na komm schon, trink noch was, und entspann dich ein bißchen. Ich verspreche dir nachzudenken, bevor ich loslege.«
Vielleicht lag Mason doch nicht so verkehrt. Natürlich bin ich nach außen nicht still und schüchtern, aber vielleicht bin ich eine unterdrückte Nymphomanin.
Alles, woran ich im Moment denken kann, ist Sex.
Sex mit Jake, um genau zu sein.
Während ich mich in die allgemeine Unterhaltung einschalte und immer noch ein schwesterlich besorgtes Auge auf Erica und diesen Egoisten habe, den Raum nach geeigneten Typen absuche, zugebe, daß der Kerl in den Calvin-Klein-Jeans eigentlich ganz sexy ist, sogar diese komische Sache mit dem Augenkontakt hinkriege,
während all dieser Zeit huschen mir diverse Bilder durch den Kopf, wie bei einem Diavortrag – ein Zusammenschnitt der Höhepunkte eines verblüffend pornographischen Films, in dem mein Chef und ich die Hauptrollen spielen.
Als ob ich einer Gehirnwäsche unterzogen worden wäre.
Ich versuche, mich auf die Suche nach einem möglichen Kandidaten zu konzentrieren, der sich als Strich auf der Schiefertafel eignet.
Nach einer Dreiviertelstunde – ich habe inzwischen aus den unterschiedlichsten Gründen jeden einzelnen Mann im Raum verworfen – gähnt Erica auffällig und
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