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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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sagte Helen, die ihn im Büro anrief. »Haben Sie uns vermißt?«
    »Keine Spur«, sagte Cassidy. »Ich habe unbeschränkt Ersatz.«
    »Lügner«, sagte Helen und küßte ihn durchs Telefon.
     
    Hall war draußen. Das war der Anlaß. Nicht entsprungen, wie Shamus es sich gewünscht hätte, auch nicht gegen den amerikanischen Botschafter ausgetauscht, sondern draußen, ehrenvoll auf freien Fuß gesetzt mit voller Billigung der Instanzen von Wormword Scrubs, nachdem der Rest der Strafe wegen guter Führung ausgesetzt worden war. Seine Entlassung war fast auf den Tag mit Shamus’ und Helens Rückkehr zusammengefallen: beides triftige Gründe zum Feiern.
    Aber doch gewiß nicht im Savoy?
    Im Bag o’Nails , ja. Im Victoria Palace , in einer der Schleppkneipen, die Helen so gern hatte, am anderen Flußufer, in Battersea oder Clapham. Aber keinesfalls – zumindest nach Cassidys Absicht –, keinesfalls aus solchem Anlaß in seinem geliebten Savoy .
    War es Helens Idee gewesen? Cassidy bezweifelte es.
    Helen hatte bei all ihrer Ursprünglichkeit beachtlichen Sinn für das Dekor.
    Also Shamus? War es Shamus’ Idee gewesen?
    Der Finger wies entschieden in diese Richtung. Er war sehr animiert von seiner Reise aufs Land zurückgekommen – einem kleinen Abstecher , hatte Helen vage gesagt, das Buch setze ihm ein wenig zu, am besten nicht davon sprechen – und steckte voller Vorschläge, wie sie feiern sollten. Sein erster Vorschlag war ein Feuerwerk an den Docks, das größte, das London jemals sah, größer als bei der Weltausstellung; Cassidys ganzes Geld sollte darin aufgehen. Doch Cassidy behauptete, sich zu erinnern, daß er am Egg Wharf Öltanker gesehen habe, also ließ man das Feuerwerk fallen zugunsten eines dancing . Kein gewöhnliches dancing , sondern ein grandioses Ballett, das Shamus schreiben würde, um die Tugenden des Verbrechens aus Leidenschaft damit zu feiern. Jeder würde eine Rolle bekommen, sie würden die Albert Hall mieten und Gerrards Crossers den Zutritt verwehren.
    Gegen diesen Plan hatte Helen die gravierendsten Einwände. Er solle den Mittelteil beenden, sagte sie, ehe er auch nur daran denke , irgend etwas anderes zu schreiben. Außerdem verstehe er nichts von Choreographie. Wenn Shamus unbedingt tanzen wolle, warum gingen sie nicht irgendwohin, wo ohnehin getanzt werde …? Und von diesem Gedanken ausgehend, landeten sie schließlich beim Savoy .
    Es war daher höchstwahrscheinlich, wenn auch nicht bewiesen, daß Shamus den Zug in Bewegung gesetzt hatte und daß Cassidy und Helen, wie schon so oft, nur aufgesprungen waren.
     
    Sobald die Sache entschieden war, beschäftigten sie sich vorwiegend, ja ausschließlich damit. Alle Vorbehalte, die Cassidy und Helen insgeheim geteilt haben mochten, wurden sogleich beiseite geschoben zugunsten der aufregenden Vorbereitungen. Sie planten für das Fest, sie lebten für das Fest. Während der naive Shamus seine Baskenmütze aufsetzte und sich wiederum nackt am offenen Fenster niederließ, schlug das sentimentalische Festkomitee sein Hauptquartier in der Küche auf und entwarf Speisefolgen und Tischkarten.
    »O Cassidy, ich bin so gespannt! Wetten, daß es absolut klasse wird? Cassidy, können wir Kaviar haben? Sagen Sie, ja? O Cassidy .«
    Eine Nachricht von Shamus’ Agenten lieferte ihnen einen weiteren Grund zum Feiern: Er bot einen einträglichen, wenn auch ruhmlosen Kontrakt für einen dreiwöchentlichen Aufenthalt in Lowestoft, wo er für den Fremdenverkehrsverein einen Dokumentarfilm über die Schleppnetzfischer schreiben sollte. Der Fremdenverkehrsverein würde seine Ausgaben erstatten und ihm ein Honorar von zweihundert Pfund zahlen.
    Helen war begeistert: Seeluft war genau das, was Shamus brauchte.
    »Und Sie werden kommen und uns besuchen, nicht wahr, Cassidy?«
    »Natürlich.«
    Sie würden am Morgen nach der Party aufbrechen und sich über das Wochenende dort einrichten; Shamus würde am Montag mit seiner Arbeit beginnen. Shamus nannte es seine Stockfisch-Schreibe und überließ Helen die Vorbereitungen.
    »Aber wird das nicht seinen Roman verzögern?« fragte Cassidy sehr verwundert.
    Helen war seltsam gleichgültig.
    »Nicht wahnsinnig«, sagte sie. »Außerdem möchte ich gern hin, und er wird mir ein einziges Mal verdammt was zuliebe tun können.«
     
    Womit sie bei der elementaren Frage angelangt waren, was Helen anziehen solle.
    »O Gott, ich leihe mir etwas von Mummy aus, was spielt das denn für eine Rolle?

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