Wachsam
tanzt gern«, sagte Hall, als sie endlich zurückkamen.
Halls Gesichtsausdruck war nicht zu entnehmen, ob es ihm recht war oder nicht; sein Gesicht lag schon seit Jahren in den gleichen Falten, und das Gefängnis hatte es nicht offener gemacht.
»Ich auch«, sagte Cassidy.
Die Musik setzte wieder ein. Sofort führte Helen ihn wieder auf die Tanzfläche.
»Sollte ich nicht mit Sal tanzen?« fragte er.
»Sie gehört Hall«, sagte Helen und blickte ihn nicht an; und Cassidy dachte mit einem kleinen Schauder an den amerikanischen Bootsmann.
»Shamus wirkt aber bedeutend munterer«, sagte er, doch Helen reagierte ausnahmsweise nicht auf seinen optimistischen Ton. Mit Shamus’ Frau tanzte er weit besser, als er mit Shamus in Paris getanzt hatte, und war weniger Kritik ausgesetzt. So hatte er sie in Haverdown in den Armen gehalten, als sie im Rauch des Holzfeuers zu ihm gelaufen war; ihn ohne Musik gehalten hatte; und er erinnerte sich, wie ihre Brüste sich an seine Hemdbrust geschmiegt hatten und wie er ihr Nacktsein durch den Hausmantel gefühlt hatte.
»Sie haben mir eigentlich nie wirklich von Paris erzählt, nicht wahr?« sagte Helen. »Warum nicht?«
»Ich dachte, ich überlasse das lieber Shamus.«
Helen lächelte ein wenig traurig. »Ich wußte, daß Sie das sagen würden«, sagte sie. »Sie haben die Spielregeln gründlich gelernt, nicht wahr, Cassidy?«
Sie zog ihn näher an sich, in reifer, schwesterlicher Umarmung. » Lover «, sagte sie. »So nennt er Sie. Wir wollen Lover anrufen. Sie sind so zuverlässig. Ein Fels.«
Behutsam vollführte er eine Wendung. Cassidy hatte noch nie so gut getanzt. Er wußte, daß er ein schlechter Tänzer war; es bedurfte dazu nicht erst der Vorhaltungen durch die Engel von Kensal Rise; er wußte, daß er nicht musikalisch war und daß er sich schwerfällig bewegte; insgeheim war er auch überzeugt, an einer seltenen Deformation des Beckens zu leiden, die sogar die elementarsten Schritte praktisch unmöglich machte; Helen jedoch verlieh ihm zu seinem eigenen Erstaunen die Sicherheit eines Experten. Er chassierte vor und zurück, er drehte sich, und sie zuckte nicht zusammen, schrie nicht auf, sondern folgte ihm mit einer gekonnten Fügsamkeit, so daß er sich über seine eigene Geschicklichkeit wundern mußte.
»Wie können wir Ihnen jemals danken?« rätselte sie. » Lieber Cassidy.«
»Sie sind das bezauberndste Wesen im ganzen Saal«, sagte Cassidy, der oberflächlich Vergleiche angestellt hatte.
»Wissen Sie, was ich mir wünsche?« sagte Helen. »Raten Sie.«
Cassidy versuchte es, erriet es aber nicht.
»Daß wir Sie wirklich glücklich machen könnten. Sie sind so einsam. Manchmal schauen wir Sie an und … und wissen, daß es Dinge gibt, die wir nie erreichen können. Es sind nur Muskeln«, sagte sie und berührte seine Wange, »nur Muskeln halten dieses Lächeln aufrecht. Cassidy.«
»Ja.«
»Wie geht es mit der Leitkuh?«
»Grau in Grau«, gestand Cassidy in einem Ton, der mehr verbarg, als er zugeben wollte.
»Das ist das schlimmste«, sagte Helen. »Das Grau. Dagegen hat Shamus sein ganzes Leben lang angekämpft.«
»Sie auch«, erinnerte Cassidy sie.
»Wirklich?« Sie lächelte, als sei ihr eigenes Befinden Erinnerung, nicht Gegenwart. »Shamus sagt, Sie fürchteten sich vor ihr.«
»Käse«, sagte Cassidy scharf.
»Das habe ich ihm auch gesagt. Cassidy, hat Shamus …« Wieder vollführten sie eine Wendung, diesmal unter Helens Führung, aber sie führte so sanft, so unmerklich, so ganz anders als Sandra, daß Cassidy nicht das geringste dagegen hatte. »Hat Shamus«, begann sie von neuem, »eine Menge Frauen in Paris gehabt?«
»Mein Gott, Helen … «
Wieder lächelte sie, sichtlich erfreut darüber, an den festen Wall dieser Männerfreundschaft gestoßen zu sein. »Lieber Cassidy«, wiederholte sie und hielt ihn weit von sich weg, ließ jedoch die behandschuhten Hände auf der stärksten Stelle seiner Arme ruhen. »Sie müssen nicht antworten. Ich hoffe nur, daß sie ihn glücklich gemacht haben, weiter nichts.« Sie kam zu ihm zurück und legte die Wange an seine Hemdbrust. »Ist Hall nicht prima?« fragte sie verträumt und blickte über ihn hinweg zum Tisch.
»Prima«, pflichtete Cassidy bei.
Aber Hall war nirgendwo zu sehen. Shamus saß allein zwischen den Flaschen. Er lehnte tief in Cassidys Stuhl, eine Zigarre im Mund, und die schwarze Baskenmütze war tief über die Augen gezogen, umhüllte Ohren und Nase, so daß er in
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