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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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eiserne Tugend geführt hatten. Der schlimmste war Colly gewesen, ein Freund aus Kindertagen, mit dem sie unlängst ein Wochenende verbracht hatte:
    »Also, Colly hatte seinen Hillman Minx dabei, warum er einen Hillman gekauft hat, werde ich nie verstehen, aber natürlich, euer Vater hatte einen Hillman, und Colly war schon immer versessen darauf, es ihm gleichzutun.« Ihr Dialog war an ihre Töchter gerichtet, obgleich keine von beiden in der Nähe war. »Nicht, daß euer Vater sehr nachahmenswert gewesen wäre, nun ja. Also jedenfalls verbrachten wir ein ganz gewöhnliches nettes Wochenende in Faulkland Saint Mary, nichts Berühmtes, aber was kann man schon erwarten, er war als Kind immer mit seiner Mutter dort gewesen oder so ähnlich, nur ein Wirtshaus mit Zimmern natürlich, nun ja. Und Colly war absolut vernünftig, langweilig, aber recht nett , und wir hatten ein recht nettes Dinner, nicht das Claridge natürlich, nun ja, und was sage ich, ich war in meinem Zimmer und schrieb an Snaps, da walzt Colly herein und fragt, ob ich’s warm genug hätte, und grinst übers ganze Gesicht. Ich in, nun ja, nur in einer Hülle. Schon ausgezogen zum Insbettgehen. Aber Colly natürlich trägt den maulbeerfarbenen Schlafrock, bis auf die Füße, sieht genau aus wie euer Vater oder Noel Coward oder sonst wer, aber verlegener. ›Was soll das heißen , warm genug‹, sagte ich. ›Es ist Hochsommer und ausgesprochen schwül.‹ Er weiß, daß ich die Hitze hasse. Und da steht er also, schwankend und keuchend. ›Nun ja, warm genug‹, sagte er, ›du weißt schon‹, und meine Lieben, er deutet darauf, durch den Schlafrock, wie ein gemeiner Soldat oder ein Landstreicher oder so was. › Warm genug‹, sagte er. ›Da unten.‹ Und meine Lieben, er war völlig betrunken. Ich konnte es sehen an seinem lüsternen Grinsen, obwohl ich überhaupt nichts sehe, nun ja. Ich hätte nichts gesagt, wenn wirklich was dahinter gewesen wäre, das ist etwas ganz anderes, darin stimme ich völlig mit der jungen Generation überein, bestimmt sogar. Nicht in allem, aber darin bestimmt.«
    Die unwahrscheinliche Offenheit dieser Erzählung animierte niemanden; nur Storm, Cassidys Buchhalter, sah sich zu einem Kommentar bemüßigt.
    »Was für eine wundervolle Frau«, flüsterte er. »Wie die Dietrich. Besser.«
    »Ja«, sagte Cassidy.
    » Cassidy , mein lieber Junge , wie geht es Ihrem armen Freund? «
     
    Es war der alte Niesthal. Seine Frau, in entzückendem Schwarz, nickte über seine Schulter hinweg. Sein langes freundliches Gesicht war in besorgte Falten gelegt.
    »Nein, Liebes«, sagte Mrs. Groat in Vorwegnahme von Sandras Zurechtweisung. »Ich habe ihnen nur von Colly erzählt. Ich bin kein Wesen im weißen Gewand, was immer man glauben mag, ich bin aus Fleisch und Blut, meine Liebe, es ist nur billig, ich habe mein eigenes Leben, und ich führe es, höchste Zeit, daß du es weißt. Darling, sie sind nicht besonders warm , oder kommt es von den Treppen? Ich habe ja nie viel von warmen Platten gehalten, nicht wahr? Colly hat mir einen Antrag gemacht, jawohl. Er wollte, daß ich deinen Vater verlasse und mit ihm weglaufe.« Sie wandte sich an die Gesellschaft. »Aber das konnte ich natürlich nicht, nicht wahr? Nicht mit Snaps und Sandra auf dem Hals.«
    »Der arme Junge, Cassidy, wir machen uns Sorgen , große Sorgen .« Seine Frau schloß sich der Besorgnis an. »Er benahm sich wie ein Wilder«, sie wandte sich zu Sandra und nahm sich ein Pastetchen. »Tanzte auf dem Tisch«, berichtete sie, und ihre Augen baten um Mitgefühl. »Schrie, brüllte, als sollte er umgebracht werden, und die Kellner wußten nicht, wie sie an ihn herankommen sollten. Und Ihr Mann war so tapfer , wie ein Polizist hat er …«
    »Telefon«, sagte Ast.
    »Danke«, sagte Cassidy.
     
    »Menschenskind, Lover«, sagte Shamus, ohne jeden Akzent, nur mit seiner eigenen behexenden Stimme, »du stellst kaum Ansprüche an eine Freundschaft.«
     
    Nebenan hatten die Kinder angefangen, die Trommeln zu schlagen.

Sainte-Angèle

33
    Die Tresorverlegung eines Teils von Aldo Cassidys Identität – ganz zu schweigen von dem Teil seines Vermögens, der aus kantonalen Festverzinslichen illegal steuerfreie vier Prozent abwarf – in das entlegene, aber fashionable Schweizer Dorf Sainte-Angèle war eine Sache, über die er sich in anderen weniger turbulenten Zeiten freimütig verbreitet haben würde. »Es ist mein Stückchen Alleinsein«, pflegte er mit weltmüdem Lächeln zu

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