Wächter des Elfenhains (German Edition)
schlichtweg überschätzt hatte, hätten selbst tausend menschliche Frauen mit altem Elfenblut in den Adern nicht ausgereicht, um sein ehrgeiziges Vorhaben auf die Straße des Erfolges zurückzuführen.
Natürlich wäre es ihm mit der gestohlenen Lebenskraft und Magie seiner Sprösslinge noch immer möglich gewesen, sämtliche Bewohner dieser Welt binnen eines Wimpernschlages in geistlos glotzende Idioten zu verwandeln, die ihm in hündischer Verzückung die Stiefel leckten, und vermutlich hätte er auch die wenigen in ihrem Hain dahinsiechenden Elfen ohne allzu große Mühe abschlachten und sich ebenfalls mit ihren Kräften mästen können. Doch derartige Banalitäten scherten ihn nicht. Was kümmerte es ihn, wenn andere vor ihm im Staub krochen und zitternd seinen Namen flüsterten? Ein derart armseliges Vergnügen war vielleicht für einen Menschen erstrebenswert, aber nicht für einen Elfen, und ganz gewiss nicht für ihn.
Vermutlich hätte ihn Ionosen auch diesmal überrascht angeblickt, vermutlich hatte er ihn niemals für etwas anderes gehalten als ein machtgieriges Monstrum, das Spaß daran hatte, Tod und Verderben zu säen und möglichst viele denkende und fühlende Wesen unter seine diabolische Knute zu zwingen. Wäre diese Art von Macht die einzige gewesen, auf die er hätte hoffen können, er hätte den Hain niemals verlassen, hätte nicht 90 Jahre lang allein unter den jämmerlichen Kreaturen dieser Welt gelebt, nur um sich schließlich zu ihrem Gott zu machen und weitere tausend Jahre ihre hirnlose Gegenwart ertragen zu müssen.
Daher hatte es von Anfang an keinen Zweifel an dem Weg gegeben, den er gehen musste. Es genügte nicht, sich lediglich an der Schwäche derer zu berauschen, die nicht genug eigene Stärke und Skrupellosigkeit besaßen, um statt seiner auf dem Thron zu sitzen, und auf die Köpfe jener zu spucken, die ihre Gesichter vor ihm in den Schmutz pressten und demütig um seine göttliche Vergebung winselten. Er würde seine Zeit nicht damit verschwenden, Gott zu spielen; er würde Gott sein. Der Raum und die Zeit selbst würden allein durch die Kraft seines Willens in eine neue Form gegossen werden, Universen würden wie Schneeflocken um ihn herumtanzen, würden mit jedem Schlag seines Herzens durch seine Adern strömen, im Rhythmus seines Atems geboren werden und wieder ins Nichts verwehen. Er würde die Schöpfung sein, die nur darauf wartete, durch die Macht seiner Gedanken Realität zu werden. Berge würden sich erheben, wo eine Sekunde zuvor noch ein Meer gewesen war, wenn er es so wollte. Steine würden wie exotische Rosen unter seiner Berührung erblühen, und Wesen, die niemals den Geschmack des Lebens gekostet hatten, würden mit Augen aus Kristall zum Himmel emporblicken und zum ersten Mal mit den Körpern, die er für sie erschaffen hatte, über das Antlitz der Welt wandeln, mit Körpern aus Nebel oder Feuer oder Dunkelheit, zusammengefügt und beseelt einzig von der titanischen Kraft seines Willens, sie ins Dasein zu zwingen. Der Tod hätte nicht länger eine Bedeutung für ihn, wäre nicht mehr als das lästige Summen einer Mücke, die er mit einer beiläufigen Handbewegung beiseite wischte.
Doch eine solche Macht war niemals einfach zu erlangen. Das war eine der ersten Lektionen gewesen, die er hatte lernen müssen, als er vor vielen Jahrhunderten damit begonnen hatte, sich den geheimen Künsten der Schwarzen Magie zu verschreiben. Denn alles Lernen und Studieren, all die gewaltigen, Ehrfurcht gebietenden Kräfte, die er aus dem zarten Gewebe des Lebens und der Natur herausgepresst hatte, hatten es nicht vermocht, ihn über den letzten, entscheidenden Abgrund hinwegzutragen, der höhnisch zwischen ihm und der Erfüllung seiner Träume klaffte. Zähneknirschend hatte er akzeptieren müssen, dass es ihm auch in einer Million Jahren nicht gelingen würde, diese Grenze zu überschreiten, denn das Problem war er selbst – die Essenz seines Wesens, das, was seine Existenz zu so viel mehr machte als die des jämmerlichen Gewürms, das stumpfsinnig und bar jeglicher Würde auf der Oberfläche ihrer verrotteten Welt dahinvegetierte.
Seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich, und seine reglose Miene versteinerte noch mehr. Es war das Elfenblut, das kraftvoll und stolz durch seine Adern strömte, welches ihn beinahe zu Fall gebracht hätte, noch bevor er an die Verwirklichung seiner hochfliegenden Pläne überhaupt hatte denken können; das Erbe seiner Vorfahren, die ebenso
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