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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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verhindern?
    Er seufzte, schüttelte den Kopf und sprach aus, was bereits in den letzten paar Tagen unausgesprochen zwischen ihnen gestanden hatte.
    „Ich bin wieder gesund. Es gibt keinen Grund mehr, warum du dich weiter um mich kümmern müsstest.“ Er wandte den Blick von ihr ab, sah wieder zu Boden. „Das dürfte auch dem Rat nicht entgangen sein.“
    Trotz fegte wie eine heftige Böe durch Maifells Seele. „Der Rat kann sagen, was er will! Ich werde mich nicht noch einmal von dir fernhalten lassen!“
    Ebenso, wie sie niemals den verkürzten Namen benutzte, den der Rat befohlen hatte, sondern ihn stets Andion nannte; ebenso, wie sie ihm in die Augen schaute und ihn berührte, ohne Scheu oder Furcht oder Ekel zu empfinden.
    Andion spürte die tiefe Entschlossenheit in ihren Worten, und der Hals wurde ihm eng.
    „Das wird Rilcaron nicht gefallen.“
    „Das ist mir egal!“
    „Aber mir nicht. Du hast schon so viel für mich getan, und ich will nicht, dass du noch länger in der Schusslinie stehst. Zu viele haben bereits leiden müssen, nur weil ihr einziger Fehler darin bestand, dass sie mir helfen wollten!“
    Maifell strich ihm zärtlich mit den Fingerkuppen über die Wange, und Andion erschauerte. „Nichts davon war deine Schuld!“
    „Das weißt du nicht. Wenn ich wirklich das bin, was Ionosen in mir sehen wollte, hätte ich die Macht haben müssen, es zu verhindern. Ich hätte ...“
    „Hör auf!“
    Andion brach sofort ab, als er den Kummer sah, der sich in ihre Miene grub. Doch natürlich spürte sie auch so, was in ihm vorging. Es war eine Wunde, die selbst sie nicht zu heilen vermochte, auch wenn sie sich noch so offen auf seine Seite stellte und ihn vor den Anfeindungen Rilcarons und ihres Volkes zu schützen versuchte. Denn auch sie vertraute ihm nur, weil Ionosen ihm vertraut hatte. Letztlich aber wusste sie ebenso wenig wie er selbst, ob dieses Vertrauen tatsächlich gerechtfertigt war. Ob das Licht der Hoffnung, dem sie so bereitwillig folgte, sie nicht geradewegs in den Abgrund führte.
    Einen kurzen, unendlich kostbaren Moment noch genoss Andion das Prickeln seiner Haut dort, wo ihre Hand ihn berührt hatte, tauchte noch einmal in die wundervollen blauen Tiefen ihrer Augen, dann wandte er sich von ihr ab. Schweigend nahmen sie ihren Spaziergang um den See wieder auf, jeder von ihnen gefangen in seinem eigenen Schmerz, seinen eigenen düsteren Gedanken und Ängsten. So gern hätte er ihre Hand genommen, hätte in der liebevollen Wärme ihrer Gegenwart Trost gesucht, wie er es in den vergangenen Wochen so oft getan hatte, doch er blieb reglos, starrte weiter stumm zu Boden, während er mit hängenden Schultern und leerem Blick zwischen den Bäumen dahinschlurfte.
    Sie hatte ihm schon so vieles gegeben. Er hatte nicht das Recht, noch mehr zu verlangen. Zu genau spürte er den Schatten, der über ihrer Seele lag und für den er allein die Verantwortung trug – ein Schatten, der immer größer und finsterer werden und sie irgendwann gänzlich verschlingen würde, wenn er es zuließ. Doch das durfte nicht sein. Sie durfte nicht den gleichen Fehler begehen wie Ionosen, durfte nicht enden wie Esendion und Alisera, die gegen jede Vernunft an seiner Seite geblieben und vom schwarzen Mahlstrom seines Lebens zermalmt worden waren. Seine Nähe brachte den Tod, und er würde niemals wieder jemanden für sich sterben lassen. Was auch immer in der Zukunft mit ihm geschah, er würde Maifell nicht noch tiefer hineinziehen, ihr nicht noch mehr von der Last aufbürden, die das Schicksal allein auf seine Schultern geladen hatte. Sollte seine eigene Stärke nicht ausreichen, um der zu sein, den Ionosen in ihm gesehen hatte, dann sollte es eben so sein.
    Als hätte sein einsamer Entschluss die Dämonen, die er so sehr fürchtete, endgültig aus ihren Käfigen befreit, begann die Welt plötzlich um ihn herum zu verschwimmen, als die Bäume, Blumen und Gräser, wie schon so oft seit seinem Erwachen im Hain, von einem Wimpernschlag zum anderen in hellen, silbrig schimmernden Nebel getaucht wurden. Wieder huschten Lichtblitze durch diesen Nebel, heller und zahlreicher als je zuvor, wirbelten so schnell an ihm vorbei, dass er sie kaum mit den Augen zu verfolgen vermochte.
    Andion erschrak, wollte zurückweichen, die Augenlider zusammenpressen, dem unheimlichen Geschehen die geballte Macht seines Willens entgegenwerfen, ehe ihm die Kontrolle über seinen Geist vollends entglitt und seine Seele in eine Dunkelheit

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