Wächter des Elfenhains (German Edition)
stürzte, aus der es kein Entkommen mehr geben würde. Doch da war noch immer Maifell neben ihm, die wundervolle, zarte Maifell, die ihm so freimütig ihre Zuneigung geschenkt hatte. Noch immer spürte er ihren Kummer, Kummer, der sie erfüllte, einzig, weil er in ihr Leben getreten war.
Er straffte seine Schultern und atmete tief durch. Für heute hatte er wahrhaftig genug Schaden angerichtet. Das Letzte, was er wollte, war, ihre Sorgen noch zu vergrößern, indem er direkt vor ihren Augen in Panik verfiel und mit gefletschten Zähnen und geballten Fäusten gegen Phantome kämpfte, die offensichtlich während der gesamten Zeit seiner Anwesenheit niemand außer ihm zu sehen vermocht hatte.
Und so würde es auch bleiben. Er lockerte seine Muskeln, versuchte, sich zu entspannen, ohne gleichzeitig in seiner Wachsamkeit nachzulassen. Sofort verstärkte sich das Glühen des Nebels, gleichzeitig hatte er das Gefühl, neben den hin und her huschenden Lichtfunken noch etwas anderes wahrzunehmen, eine andere Art von Bewegung, die von etwas Hellem, Strahlendem ausging, wie eine Reflexion von Sonnenlicht auf Glas, die flüchtig in seinen Augenwinkeln aufblitzte.
Andion war so überrascht, dass er für einen Moment sogar seine Furcht vergaß. Was auch immer mit ihm geschah, es schien zumindest seine geistige Klarheit und Konzentrationsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen. Zum ersten Mal fragte er sich, ob seine seltsamen Wahrnehmungsstörungen der letzten Wochen nicht vielleicht andere Ursachen haben könnten als die, die er bislang in Betracht gezogen hatte, Ursachen, die möglicherweise mit Ogaire und seinen finsteren Machenschaften nicht das geringste zu tun hatten.
Es war ein elektrisierender Gedanke, der sein Herz augenblicklich schneller schlagen ließ. Er wandte den Kopf, versuchte das Glitzern und Leuchten in seinen Augenwinkeln genauer zu betrachten, dennoch vermochte er nicht zu erkennen, woher das eigenartige Licht kam. Es schien seinem forschenden Blick auszuweichen, verschwand, wenn er die Augen direkt darauf richtete, und entzog sich beinahe spöttisch all seinen Bemühungen, seine Aufmerksamkeit darauf zu konzentrieren.
Aber vielleicht war das genau der falsche Weg. Wollte man einen Schmetterling fangen, war es klüger, sich leise und von hinten anzuschleichen, statt sich mit lautem Brüllen auf die Blume zu stürzen, auf der er gerade saß. Manche Dinge bedurften einer subtileren Vorgehensweise als roher Gewalt, um den Schleier zu lüften, der sie verbarg, und er hatte das starke Gefühl, dass es bei diesem Schleier einzig von ihm selbst abhing, wann – und ob überhaupt – er sich vor ihm heben und ihm seine Geheimnisse offenbaren würde.
Die Vorstellung, dass Ogaire dabei seine schmutzigen Finger im Spiel haben könnte, erschien ihm von Sekunde zu Sekunde irrealer, wurde verdrängt von einer Gewissheit, die keinen Raum mehr ließ für Zweifel oder Furcht, einem Vertrauen, das ihm aus tieferen Schichten seiner Seele zuzufließen schien, die mehr Weisheit besaßen als der verwirrte und angsterfüllte 17jährige Junge, der er war.
Als hätte es die letzten Wochen mit ihren quälenden Gedanken und Selbstzweifeln niemals gegeben, wusste er mit einem Mal, was er zu tun hatte. Er schloss die Augen, gab jegliches Bemühen auf, mit Hilfe von zielgerichteter Anstrengung an sein Ziel zu gelangen, und ließ seinen Blick, statt ihn weiterhin starr auf die flüchtigen Lichter und Bewegungen zu fokussieren, unter halb gesenkten Lidern hervor in die Ferne schweifen.
Für einen Moment verdichtete sich der Nebel und glühte auf wie eine Sonne, die kurz davor stand, sämtliche ihrer Planeten in einer gewaltigen Explosion zu Asche zu verbrennen, und die winzigen Lichtfunken stoben empor wie Schneeflocken aus Feuer, die von jähen Sturmböen wild in alle Richtungen gepeitscht wurden. Auch das Glitzern und Funkeln in seinen Augenwinkeln verstärkte sich, wurde greller und gleißender, als hätte seine Weigerung, das unerquickliche Katz-und-Maus-Spiel noch länger mitzuspielen, auch noch die letzten Tore in seinem Geist geöffnet, die die seltsamen Wahrnehmungen bisher zurückgehalten hatten.
Doch Andion ließ sich nicht noch einmal davon narren. Sein Atem ging nun ruhig und gleichmäßig, seine Arme hingen locker an seinen Seiten herab, waren nicht länger vor Angst verkrampft, und sein Blick glitt noch mehr in die Ferne, ohne an Lichtern oder Bewegungen oder Bäumen haften zu bleiben. Der Nebel erbebte, schien sich
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