Wächter des Mahlstroms

sondern er war nun in die Reichweite der Impulse gekommen.
    Er gab eine Bestätigung ab, ließ den nadelspitzen Bug seines kleinen Schiffes herumschwingen und stellte den Antrieb auf höchste Leistung. Er war jedoch auf seinem neuen Kurs noch nicht weit geflogen, als sich auf seinen Bildschirmen ein winziger, doch heller Blitz abzeichnete und der Notruf aufhörte. Was immer dort draußen geschehen war, gehörte der Vergangenheit an.
    Natürlich mußte Cloud der Sache nachgehen. Die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze des Weltraums ließen keinen Zweifel daran, daß solche Signale von allen warmblütigen Sauerstoffatmern untersucht werden müssen, die davon Kenntnis erhalten – welcher Rasse, Klasse oder Raumschiffgattung sie auch angehören, wie immer die begonnene Mission auch aussehen mag. Cloud gab nun seinerseits einen Funkspruch nach dem anderen ab, erhielt jedoch keine Antwort. Vermutlich war er der einzige, der sich in Reichweite aufgehalten hatte.

    Er ließ das Schiff weiter mit Maximalbeschleunigung dahinrasen, trat an ein Gestell und nahm eine Sternenkarte zur Hand. Bisher hatte er einen Notfall im Weltraum noch nicht erlebt; trotzdem wußte er, was zu tun war. Es hatte keinen Sinn, das Wrack zu suchen; die Helligkeit des Blitzes ließ keinen Zweifel daran, daß das Raumfahrzeug und alles in seiner Umgebung vernichtet worden war. Cloud achtete vielmehr auf Rettungsboote. Nach der Theorie sollten sich Rettungsboote in der Nähe aufhalten und auf Hilfe warten, aber natürlich galt das hier draußen nicht. Die Leute mußten Kurs auf den nächsten Planeten nehmen, damit ihnen die Luft nicht zu knapp wurde. Luft war wichtiger als Nahrung oder Wasser, und aus ganz offensichtlichen Gründen waren Rettungsboote nicht mit ausreichend Luft versehen.
    Deshalb hielt nun Cloud mehr auf den nächsten T-T-Planeten (Tellus-Typ) zu als auf den Ort der Katastrophe. Er stellte seine Sendeempfangs-Kommunikatoren auf automatischen Betrieb und setzte sich an die Ortungskontrollen. Auf den Funkfrequenzen mochte sich nichts tun; es hatte schon viele Unfälle gegeben, nach denen Rettungsboote voller Frauen und Kinder durch das All gerast waren, ohne daß jemand wußte, wie ein Kommunikator zu bedienen war. Wenn überhaupt ein Rettungsboot den Unfall überstanden hatte, würden seine Orter das Objekt schon finden.
    Und er fand tatsächlich ein Rettungsboot – ein einziges. Es hielt sich in der Nähe des Planeten auf, fast in der Atmosphäre. Cloud richtete einen soliden Kommunikatorenstrahl aus. Keine Antwort. Entweder war die Funkeinrichtung des Bootes zerstört worden, oder niemand an Bord verstand damit umzugehen. Er würde dem Schiff auf den Planeten folgen müssen.
    Aber was war das? Ein zweites Boot auf dem Schirm? Kein Rettungsboot – dazu war es zu groß; andererseits wirkte es nicht groß genug, um ein vollwertiges Schiff zu sein. Offensichtlich kam das Gebilde vom Planeten hoch ... wollte es die Bedrängten retten? Nein – was, zum Teufel, ging da vor? Der Bursche
bestrahlte
ja das Rettungsboot!
    »Los, du alte Blechkiste!« brüllte der Wirbeltöter los und stellte seinen Antrieb auf volle Kraft. Wenige Sekunden später belebte sich plötzlich sein Bildschirm. Doch es war ein verwischtes, fleckiges Bild; im Lautsprecher rauschte und knackte es. Der Pilot des Rettungsbootes war ein Chickladorier; er wies die typische rosa Hautfärbung seiner Rasse auf – bis auf das rotverfilzte Haar und das blutige Gesicht. Er war ziemlich übel zugerichtet.
    »Wer immer mich da zu erreichen versucht, beeilen Sie sich!« sagte der rosahäutige Mann in der allgemein verständlichen Raumsprache der Galaxis. »Ich konnte mich bisher nicht melden, aber inzwischen haben wir die Anlage notdürftig repariert. Wir haben hier ein Ungeheuer an Bord, das keinen Spaß verträgt. Ich glaube, ich werde gleich ohnmächtig, doch ich habe die Schleusen geöffnet. Übernehmen Sie, Kamerad!«
    Das Bild verschwamm und ging flackernd aus. Die Stimme verstummte. Cloud fluchte energisch vor sich hin.
     
    Der Planet Dhil und sein gewaltiger Satellit Lune sind beinahe Zwillingswelten, die um ein gemeinsames Schwerkraftzentrum kreisen und die zweite Planetenumlaufbahn um ihre Sonne belegen. An dritter Stelle befindet sich Nhal, ein Planet, der Dhil hinsichtlich Schwerkraft, Atmosphäre und Klima erstaunlich ähnlich ist. Die Dhilier und Nhalier sind also mehr oder weniger identisch. 1
    Die beiden Rassen hatten seit Jahrhunderten fast ununterbrochen