Wächter
Minuten jedoch aufgezehrt und abgestoßen worden wäre und die Nutzlast antriebslos den größten Teil des Wegs ins Ziel zurückgelegt hätte, vermochte das mächtige Triebwerk der Liberator für Tage und sogar für Wochen einen Schub von einem vollen Ge und noch höher aufrechtzuerhalten. Das hatte es dem Schiff ermöglicht, eine gerade Flugbahn von einem Punkt auf der J-Linie zu einem anderen einzuschlagen - von der trojanischen Basis bis zur Position der Bombe. Diese geradlinige Bahn war ein Kuriosum in einem Sonnensystem aus lauter Kreisen und Ellipsen.
Und Edna hatte die Hälfte der Strecke zwischen Jupiter und der entfernten Sonne in hundert Stunden bewältigt.
»Wir verzögern bereits. Wir nähern uns der Q-Bombe mit dem Heck voraus und blasen ihr förmlich unsere Abgase ins Gesicht …
Die meisten Angehörigen der Weltraumstreitkräfte sind von der US-Marine übernommen worden, weil die Raumschiffe nämlich eine größere Ähnlichkeit mit Unterseebooten haben als mit sonst etwas. Aber die Liberator ist wieder etwas anderes. Wir haben so viel Energie zu verbrennen, dass wir mehr Platz in diesem Schiff haben als irgendein Raumfahrzeug seit
Skylab . Falls du noch nicht davon gehört haben solltest, schau bei Wiki nach. John Metternes und ich teilen uns eine Art Apartment mit Schlafräumen, Duschkabinen und einem Lagebesprechungsraum mit Kaffeemaschinen. Wenn wir zu den Bullaugen gehen und am Schiffsrumpf hinabschauen, gleicht das dem Blick aus einem Fenster eines Hochhaushotels auf der Erde. Nur dass die meisten Hotels keine Antennen und Sensorenausleger haben. Und auch keine Stückpforten.
Ich muss jetzt Schluss machen, Liebes. Das Triebwerk wird gleich abgeschaltet, und es wäre doch peinlich, in der Luft zu hängen, wenn wir dem ›Klabautermann‹ begegnen …!
Wie ich mich fühle? Ich habe Angst. Ich bin aufgeregt. Aber ich vertraue auf meine und Johns geistige Fähigkeiten und auf die Liberator , die sich schon als ein gutes Schiff bewährt hat. Ich hoffe nur, das genügt, um den Sieg davonzutragen. Ich - ich glaube, das ist alles, Libby. Datei schließen.«
»Ja, Edna. Es wird Zeit.«
»Ich weiß. Ruf bitte John.«
{21}
POL
Bisesa sah rein gar nichts.
Die Discovery pflügte durch eine halbmeterhohe Schicht aus Kohlendioxidschnee. Das spröde Trockeneis sublimierte von der Wärme des Rovers, sodass sie in einem dichten Nebel fuhren, und sogar außerhalb des Nebels war es stockfinster. Niemand sagte irgendetwas, und die Pokerspieler widmeten sich ihren endlosen Turnieren. Bisesa musste sich allein mit der enervierenden Situation arrangieren.
Dann sah sie helle grüne Lichter in der Dunkelheit wie glei ßende Funken. Der Rover wurde langsamer und kam dann zum Stillstand. Die Besatzung eilte nach vorn.
Irgendein Fahrzeug mit großen Ballonreifen stand auf dem Eis. Zwei Gestalten in Raumanzügen standen breitbeinig darüber. Ihre Helme waren beleuchtet, aber Bisesa vermochte ihre Gesichter nicht zu erkennen. Als sie die Lichter des Rovers erblickten, winkten sie. »Das ist ein Trike«, sagte Myra erstaunt.
»Eigentlich«, korrigierte Paula sie nachsichtig, »nennt man es General Utility Vehicle , eine Art Allzweckfahrzeug. Für Operationen in der Nähe der Polstation …«
»Ich will auch so eins.«
Alexej tippte auf eine Softscreen. »Juri. Bist du das?«
»Hallo, Alexej. Der Schneefall ist in dieser Saison außergewöhnlich stark. Wir haben euch mit dem Sublimierungsapparat einen Weg gebahnt.«
»Wir wissen das zu schätzen.«
» Discovery , folgen Sie uns einfach. So in elf oder zwölf Stunden sind wir zu Hause. Wir sehen uns in Wells.«
Das Fahrzeug wendete und fuhr voraus. Es riss die Nebelschleier auf, die von den Nebelscheinwerfern hell angestrahlt wurden.
Da die Discovery leicht mitzuhalten vermochte, erhöhte die Geschwindigkeit des kleinen Konvois sich bald auf über vierzig Kilometer pro Stunde.
Während sie durch die Dunkelheit stoben, veränderte der harte Boden unter dem Schnee sich. Er bestand nun aus abwechselnd hellen und dunklen Schichten, die armdick waren und einem riesigen Sedimentbett glichen. Und er mutete poliert an mit einer feinen Patina, die im Scheinwerferlicht des Fahrzeugs glänzte.
Nach ein paar Stunden auf diesem Boden gelangten sie schließlich auf eine festere, hellere Oberfläche aus einem schmutzigen Weiß mit einem Hauch Marsrot, die unter ihnen knirschte.
»Wassereis«, verkündete Paula. »Zumindest größtenteils. Das ist die dauerhafte Eiskappe,
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