Während ich schlief
gemogelt. Ich habe mit einem Stase-Traum gewonnen. Es sind alles Stase-Träume. Sie regen mich zu den Farben an.«
Xavier sah mich so lange von der Seite an, dass ich schon fürchtete, wir würden von der Straße abkommen, aber ich sagte nichts. »Du verarbeitest deine Erlebnisse und Erfahrungen«, sagte er schließlich und blickte wieder auf die Straße. »Die anderen haben das bestimmt auch gemacht.«
Das stimmte. Die komplexen Muster von Asteroidenkollisionen beherrschten Rachels Computerobjekte, und die Zirkusartisten und Tänzerinnen, die André als Modell benutzte, beeinflussten auch Céline. »Trotzdem kommt es mir wie Mogeln vor«, beharrte ich.
»Die Stase-Träume sind Träume«, erwiderte Xavier. »Sie stammen aus deinem Kopf, nicht aus der Stase-Röhre.«
Ich sah auf die Auszeichnung in meinen Händen. »Ich kann es immer noch nicht fassen.«
Als wir in den Aufzug stiegen, gab ich sie Xavier. »Würdest du das für mich aufbewahren?«
Xavier sah mich an. »Das geht nicht. Du hast sie dir verdient.«
»Und wenn meine Eltern sie entdecken, was glaubst du, was dann los ist? Gib sie mir auf dem College zurück, wenn ich dieses Stipendium antrete.«
Xavier grinste. »Abgemacht.«
Er küsste mich so lange und leidenschaftlich, dass ich den
Eindruck hatte, der Lift würde in die Tiefe stürzen. (Tatsächlich hatte er schon auf unserer Etage gehalten und wartete geduldig bei offener Tür, dass wir fertig wurden und ausstiegen.)
»Ich liebe dich«, sagte ich.
»Ich liebe dich«, sagte Xavier. »Ich bin sehr stolz auf dich.« Er küsste mich auf die Nasenspitze. »Bis morgen.«
Wir trennten uns vor unseren Wohnungen, und ich ging beschwingt hinein. »Hallo, Åsa, ich bin wieder da!«
Åsa antwortete nicht mit ihrem brüsken schwedischen »ja!«, weshalb ich durch die lange Diele ging und den Kopf ins Wohnzimmer steckte. »Åsa?«
Ein kalter Schock durchfuhr mich und hinterließ einen metallischen Geschmack in meinem Mund.
»Åsa ist nicht hier«, sagte Mom und funkelte mich böse an.
Ich leckte mir über die Lippen. Mom und Daddy saßen nebeneinander auf dem Wohnzimmersofa und warteten auf mich. »Ich ... ich kann euch das erklären.«
»Das solltest du besser«, sagte Mom. »Wir sind extra früher zurückgekommen, um mit dir zu diesem ... zu dieser Sache zu fahren, zu der du unbedingt wolltest. Und was müssen wir feststellen? Dass du fort bist. Die Stase-Röhre leer ist. Wir hätten beinahe die Polizei angerufen. Weißt du, was das für das Ansehen deines Vaters in der Stadt bedeutet hätte? Unsere Tochter, gekidnappt? Oder schlimmer noch, eine undankbare Ausreißerin?«
»Es tut mir leid, Mom, ich wollte nur ...«
»Das hoffen wir sehr, dass es dir leidtut«, sagte Daddy. »Als wir feststellen mussten, dass du nicht auf uns wartest, haben wir mit Åsa gesprochen. Sie gestand, dass sie dich wiederholt aus der Stasis geholt hat. Nein, dachte ich. Unsere Tochter würde so etwas nie tun. Sie würde es nicht wagen, mir ins Gesicht
zu lügen.« Daddy stand auf und überragte mich mit seiner vollen Größe. »Das dachte ich.«
Ich fröstelte, mein Magen krampfte sich zusammen. »Verzeih bitte, Daddy.«
Mom stand ebenfalls auf und stellte sich an seine Seite. »Sie sagte uns, dass du einen Freund hast. Du bist nicht alt genug für einen Freund.«
»Mom, ich bin sechzehn«, sagte ich leise.
Da explodierte Daddy. Ich hatte ihn noch nie offen wütend erlebt, konnte mich zumindest nicht daran erinnern. Es war gerade die Furcht vor dieser unter der Oberfläche schwelenden Wut, die mich immer davon abgehalten hatte, mich ihm zu widersetzen. »Du hinterhältiges kleines Miststück! Du hast ein verdammtes Glück, dass wir für dich sorgen, ist dir das klar? Weißt du, was mit dir passiert wäre, wenn du die Tochter von anderen Leuten wärst? Man hätte dich längst für verrückt erklärt! Dich auf die Straße gesetzt! Du bist es nicht wert, dass man seine Zeit auf dich verschwendet, schon gar nicht unsere! Du taugst nichts! Du bist eine hirnlose, doppelzüngige kleine Schlange, die es nicht wert ist, uns die Füße zu lecken!«
»Ich kümmere mich darum, Mark«, sagte Mom mit harten Augen.
»Sorg dafür, dass dieses Kind sich benimmt, sonst siehst du es nie wieder!«, schrie Daddy sie an.
»Keine Sorge, mein Lieber. Rose und ich werden ausführlich darüber sprechen. Sie weiß, was das Beste ist.«
Ich schluckte und hatte plötzlich mehr Angst vor Moms Ruhe als vor Daddys Raserei.
Zwei Stunden
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