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Während ich schlief

Während ich schlief

Titel: Während ich schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Sheehan
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später ging ich zu Bett, zitternd und erschöpft, mit vom Weinen brennenden Gesicht. Aber Mom hatte recht, sie hatte es mir immer und immer wieder gesagt. Ich wusste, was das Beste war.

    Ich wartete den ganzen Tag im Garten. Ich hätte bei Xavier anklopfen, seinen Eltern sagen können, dass ich ihn sehen möchte. Sie wussten, was wir einander bedeuteten, und hatten nie etwas dagegen gehabt.
    Doch ich wollte ihn nicht aus seinem Glück reißen. Je länger ich wartete, desto länger wäre seine Welt in Ordnung. Ich fühlte mich wie Ophelia. Mein Prinz, ich hab’von Euch noch Angedenken, die ich schon längst begehrt zurückzugeben ... Als sie Hamlet verstört und unbeholfen seine Geschenke und Briefe zurückgibt, dabei wissend, dass ihr Vater hinter dem Bildteppich wartet. Mom und Daddy waren nirgends zu sehen und würden bestimmt nicht lauschen. Dennoch wusste ich, was ich zu tun hatte. Der Gedanke ging mir durch den Kopf, ob ich mich ertränken würde, mit Blumen umkränzt, drüben im Gartenteich, wenn es vorbei wäre. Doch was würde das schon ändern.
    Er sah mich sofort, als er in den Garten kam. Sein Grinsen war so breit und glücklich, dass es mir das Herz zerriss. Ich würde ihm alles zerstören. Aber ich wusste, was das Beste war.
    Er nahm mich in die Arme, und ich sehnte mich so sehr danach, seine Umarmung zu erwidern. Doch ich stand da wie ein Holzpflock.
    Xavier ließ mich los, küsste mich auf die Stirn, sah mich an. »Noch überwältigt von gestern?«
    Ich atmete tief durch. »Weißt du, ich habe die anderen Künstler dort ganz gut kennengelernt.« Ich wusste, das war der einzige Weg. Es war der einzige Teil meines Lebens, bei dem er nicht zugegen gewesen war. »Wir haben uns eine Hotelsuite miteinander geteilt.«
    »Ja, das hast du mir erzählt«, sagte Xavier, immer noch lächelnd. »Hast du ein paar neue Techniken gelernt?«
    »Nein. Das heißt, ja, aber ... vor allem habe ich etwas über das Leben erfahren. Sie sind alle viel älter als ich.«

    Er zerzauste meine Haare. »Ja, haben dich wahrscheinlich wie das Nesthäkchen behandelt.«
    Ich wich zurück. »Hör auf damit.«
    Endlich merkte er, dass etwas nicht stimmte. »Rose? Was hast du? Was ist los?«
    »Das hier.« Ich konnte es nicht länger hinauszögern, ich musste es schnell hinter mich bringen. Es war, wie mir die Pulsadern aufzuschneiden – wenn ich es langsam anginge, würde ich es nie schaffen. »Das ist einfach nicht mehr das Richtige für mich.«
    Xaviers Brauen zogen sich zusammen. »Was ist nicht das Richtige?«
    »Das hier«, sagte ich und deutete vage auf ihn und mich. »Ich meine, wir sind ... wir sind nicht mehr die Gleichen .«
    »Na, das will ich auch hoffen. Es wäre sonst verflixt schwer, dich zu küssen.«
    »Ich meine es ernst«, fuhr ich ihn an.
    Das merkte er. »Also sag schon, was ist los?«
    »Nichts ist los. Ich kann das nur nicht mehr.«
    »Was kannst du nicht?«
    »Mir dir zusammen sein«, sagte ich.
    Xavier erstarrte für einen Moment. »Warum nicht?«, fragte er schließlich.
    »Es ist ... ich kann einfach nicht.«
    »Nein«, sagte er, ärgerlich nun. »Nicht >einfach<. Du erklärst mir jetzt genau, was hier vorgeht.«
    Ich hatte gewusst, dass es so weit kommen würde, als ich hier herausging. Ich wusste, dass er mir nicht glauben würde, wenn ich sagte, dass ich ihn nicht mehr liebte. Es war mir unmöglich zu behaupten, ich hätte mich in jemand anderen verliebt. Ich konnte ihm auch nicht sagen, dass meine Eltern gegen ihn waren, denn dann würde er Mittel und Wege
finden, sich trotzdem mit mir zu treffen. Oder er würde von mir erwarten, ihnen ungehorsam zu sein, und das konnte ich schlichtweg nicht. Und ich würde es nicht ertragen, den verletzten Ausdruck in seinen Augen zu sehen, wenn er wieder und wieder feststellen musste, dass ich mich letztendlich für sie entschied. Also tat ich das Einzige, was mir übrigblieb: Ich sagte ihm die Wahrheit, so schonungslos und unehrlich, wie es nur ging.
    »Es ist zu unnatürlich, Xavier. Ich meine, ich ... ich bin mit dir aufgewachsen. Ich habe dir die Windeln gewechselt, Herrgott nochmal! Es ist, als ... als wären wir Bruder und Schwester oder ... oder ...« Ich konnte diesen Gedanken nicht zu Ende denken und ließ ihn fallen.
    »Gestern Abend fandest du es noch nicht zu unnatürlich. Was ist seitdem passiert?«
    »Nichts!«, sagte ich zu schnell. »Gestern Abend war ich bloß ... zu glücklich und zu müde, um diesen Schritt zu tun. Trotzdem habe ich da

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