Während ich schlief
mussten sie mir den Preis wegnehmen, aber so, dass es so aussah, als hätte ich ihn selbst abgelehnt. Sie zwangen mich dazu, Xavier aufzugeben, damit sie mich wegsperren konnten, ohne dass er jemandem etwas davon sagte.
Ich fragte mich, ob sie je vorgehabt hatten, mich herauszuholen. Vielleicht. Es waren erst anderthalb Jahre vergangen, als die Dunkle Epoche einsetzte, und womöglich hatten sie mich zu meiner eigenen Sicherheit in dem Zustand gelassen. Vielleicht hatten sie mich in den letzten neun Jahren einfach vergessen, oder es war ihnen zur Gewohnheit geworden, dass ich mich in Stasis befand. Doch ich wusste ohne jeden Zweifel, dass sie mich nicht in Stasis versetzt hatten, weil sie es gut mit mir meinten.
Sie wollten mich ein Kind bleiben lassen, solange es ging, aus reiner Selbstsucht. Damit Mom ihre lebende Puppe behalten
konnte, die sie anziehen und mit der sie spielen konnte. Damit Daddy seine kleine Sklavin behalten konnte, die ihm nach dem Mund redete: »Ja, Sir. Sie wissen es am besten, Sir.« Sie hatten mich ständig die Schule wechseln lassen, damit ich mich selbst für dumm hielt. Sie hatten mich regelmäßig in Stasis versetzt, um mich jung und unmündig zu halten, und sie hatten mich glauben gemacht, dass dies mein eigener Wunsch sei. Sie ließen mich mit meinen Farben spielen, weil das ein harmloser Zeitvertreib war, der mich beschäftigte ... bis ich den Preis gewann. Dann wurde er zu einer Bedrohung.
Hatten sie mich angelogen?, fragte ich mich. Oder waren sie wirklich früher zurückgekommen, um mich zu der Preisverleihung gehen zu lassen? Wäre Otto nicht in meinem Bewusstsein gewesen, hätte ich mir möglicherweise erlaubt, so zu denken. Doch da mein Selbsthass nun gründlich ausgeräumt war, sah ich, klar wie der Tag, dass ich ihnen schon lange misstraut hatte. Sie machten mir Angst. Von jeher. Ich liebte sie mit jeder Faser meines Wesens, aber zugleich fürchtete ich sie und traute ihnen nicht.
»Meinst du, sie haben mich geliebt?«, fragte ich in Gedanken die stumme Präsenz.
»Sie glaubten es wahrscheinlich«, dachte die andere Stimme in meinem Kopf. »Aber sie waren wohl nicht in der Lage dazu. «
Ich seufzte und versuchte, mich zurückzuziehen. Otto hielt mein Handgelenk fest. »Ich werde dich lieben«, versprach er mir. »Wir können uns gegenseitig adoptieren.« Er küsste mich sehr zärtlich auf die Schläfe, worauf ich mich selbst mit einem Lächeln überraschte.
Dann ließ er mich los, und die stumme Präsenz verschwand aus meinem Bewusstsein. »Danke«, sagte ich. »Erschrecke ich dich immer noch?«
Otto nickte, aber ich sah die Lachfältchen um seine Augen. Er streichelte meine Wange, und ein Bild von einem Wall aus Heckenrosen um ein wunderschönes Schloss blitzte in meiner Vorstellung auf. Das Dornröschenschloss. Doch er sah mich nicht als die verzauberte, passive Prinzessin, die träumend darauf wartete, dass ihr Märchenprinz sie weckte. Ich war die beeindruckende Rosenhecke, wild und undurchdringlich und so stark, dass sie einem hundertjährigen Ansturm von Angreifern, die sich zu den Unschuldigen in ihrer Mitte durchschlagen wollten, standhalten konnte. Eine Hecke, die wusste, welcher Person, welchen Menschen sie Einlass gewährte.
»Wen beschütze ich?«, wollte ich wissen.
Seine Augen lächelten, und er hielt seine Hand über mein Herz. Dich selbst. Dann über sein eigenes. Mich. Mit einer ausholenden Geste deutete er die ganze Welt an. Er tippte mir spielerisch auf die Nase, und ein Gedanke schoss mir durch den Kopf. »Ich vertraue dir.« Es war jedoch kein eindeutiges »Ich«. Nabiki hatte recht; was er dachte, ließ sich nicht immer in Sprache übersetzen. Es enthielt ein »Wir«, denn er schloss seine Familie mit ein. Er aber war es, der mich kannte.
Auf einmal piepte ein Holofon. Otto griff unter sein Hemd und holte es hervor. »Wozu hast du denn ein Fon?«, fragte ich.
Er sah mich an und schüttelte den Kopf. Ich verstand, dass andere sich ihm auf diese Weise mitteilten, auch wenn er selbst nicht sprach. Er machte ein schnalzendes Geräusch mit dem Mundwinkel, womit er offenbar den eingehenden Anruf entgegennahm. Brens Gesicht erschien in seiner Hand. »Otto, hast du Rose gefunden?«
Otto nickte und reichte mir das Fon.
Ich wurde verlegen. »Äh, hallo«, sagte ich.
»Rose, Gott sei Dank! Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Ja, warum?«
»Großvater hat mich gefont. Der Plastobot hat vor etwa zwanzig Minuten das UniCorp-Gebäude gestürmt.«
Ich
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