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Während ich schlief

Während ich schlief

Titel: Während ich schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Sheehan
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Hand – das Sitzpolster von dem zertrümmerten Stuhl – das er nun aufriss, um die Schaumstofffüllung herauszuziehen. Dann setzte er zum Sprung an wie eine Katze, warf sich auf den Rücken des Plastobots und zog ihm die Polsterhülle über Kopf und Arme. Mit einer ruckartigen Kopfbewegung deutete er zur Tür.
    Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich an dem blinden Mörder vorbeistürzte. Dabei sah ich noch, wie sein plastinierter Arm hinaufschoss und nach Otto griff.
    Ich war schon an der Tür, als ich ein grässliches Knirschen hörte. Entsetzt fuhr ich herum, da begann das Schreien. Es war ein Laut, den ich nie wieder hören wollte. Allzu menschlich, doch ganz ohne Sprache. Einmal hatte ich bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung auf dem Land, an der ich mit meiner Mutter teilnahm, ein Kaninchen schreien hören, das von einem Hund getötet wurde. Das Blut war mir in den Adern gefroren. Doch Ottos Schmerzensschrei war noch hundertmal schlimmer. Das Geräusch von zerfetztem Stoff folgte, als der Plastobot sich die Polsterhülle vom Kopf riss und Otto gleich mit abwarf. Otto knallte gegen die Wand, den Arm unnatürlich verdreht, und sank schlaff zu Boden.
    Das konnte ich nicht zulassen. Guillorys Ende hatte bewiesen, wie tödlich der Plastobot war. Als er Otto am Kragen packte und hochzog, machte ich einen Satz nach vorn und drängte mich dazwischen.
    Die glänzenden Augen der Killermaschine taxierten mich,
dann ließ sie Otto los. Er landete mit einem dumpfen Laut auf dem Fußboden, bei dem ich selbst Kopfschmerzen bekam. Der Plastobot schnappte sich meinen Arm. »Sie sind Rosalinda Samantha Fitzroy. Bitte stehen Sie still für den Irisscan.«
    Ich stand stocksteif da und ließ ihn meine Augen mit seinem toten Blick abtasten. »Identifizierung bestätigt.« Er nahm den Kontrollkragen und legte ihn mir um den Hals. Ich wehrte mich nicht.
    Mit einem durchdringenden Schrei sprang Otto vom Boden auf und versuchte, ihm den Kragen mit seinem gesunden Arm zu entwinden, bevor er ihn schließen konnte. Der Plastobot hob die Hand, um ihn wegzuschlagen, bestimmt mit tödlicher Wucht, doch meine Hand war schneller.
    Ich packte Otto am Arm und tat etwas absichtlich Grausames. Ich nahm den dunkelsten, tiefsten Kummer in mir, die verwuchertste, dornigste Ecke meiner Psyche, verband das mit der Erinnerung an die Schmerzen und die Erschöpfung beim Herauskommen aus der Stasis und dachte so intensiv daran, dass Otto vor Schock nach Luft rang. Er wich instinktiv zurück, und das genügte dem Plastobot, um den Kontrollkragen mit einem unwiderruflichen Klicken um meinen Hals zu schließen.
    Die ersten paar Sekunden mit dem Kragen waren der Horror. Mein Geist brüllte in panischer Furcht. Es war, wie in Stasis zu verfallen, aber ohne die beruhigenden Drogen. Mein Körper streikte. Sämtliche Funktionen hingen nun von den Elektroden ab, die sich in mein Gehirn geschoben hatten. Für ein oder zwei Sekunden ging gar nichts mehr, und in dieser kurzen Zeitspanne war ich tot. Dann setzte alles wieder ein, aber auf seltsame, unnatürliche Weise. Mein Herz nahm pumpend die Arbeit auf, meine Lunge dehnte sich, gierig nach Sauerstoff, und meine Muskeln zogen sich zusammen und entspannten
sich, als der Plastobot seine Prozessoren an meinen Organismus anpasste.
    Nun, da er Phase eins seines programmierten Auftrags erfüllt hatte, startete er Phase zwei.
    Meine Beine folgten ihm, als die Signale über das Netz aus seinem plastinierten Gehirn in meines strömten. Ich konnte nicht nachsehen, ob Otto einigermaßen okay war. Ich konnte kaum denken. Zuerst konnte ich nur gehorchen, auch wenn mir alles wehtat. Der Plastobot bewegte meine Beine für mich, zwang meine Lunge, weiterzuatmen und mein Herz, zu schlagen. Offenbar wusste er jedoch nicht über die mir angemessene Muskelarbeit Bescheid, weshalb sich dauernd alles verkrampfte. Er kannte meine natürlichen Körperabläufe nicht, sodass mein Herz arrhythmisch stolperte. Jeder Atemzug tat weh, weil er zu viel Luft in meine Lunge sog und wieder hinauspresste.
    Er zerrte mich über das Schulgelände. Da er meine Tränenkanäle und die Salzproduktion nicht in seine Steuerung miteinbezog, blieben meine Augen trocken und brannten, und ich konnte noch nicht einmal blinzeln. Aber sehen konnte ich. Der Plastobot hielt auf einen Gleiter zu, und zwar nicht irgendeinen. Das war Guillorys Luxus-Schwebejacht.
    Die Tür glitt auf, und der Plastobot stieg ein. Ich war

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