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Während ich schlief

Während ich schlief

Titel: Während ich schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Sheehan
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Irgendwo hatte ich einen Bruder und eine Schwester, wahrscheinlich genauso in Stasis liegend wie ich all die Jahre. Ich musste sie finden. Mein ohnmächtiger Hass wurde zu einem kämpferischen, beschützenden Gefühl, und plötzlich kümmerte es mich nicht einmal, dass es unmöglich war.
    Ich zwang mich, mich wieder der Suche des Plastobots im Netz zuzuwenden. Er bediente sich systematisch aller möglichen Suchmaschienen und Filter. Obwohl das Netz unendlich schien und ständig in Bewegung war, war es schließlich doch begrenzt. Er würde sich durch alle verfügbaren Datenströme scannen, und wenn er keine entsprechende Netzhaut- oder Stimmerkennung oder einen aktuellen Eintrag für den Namen MARK FITZROY fand, würde er mich eliminieren. Wo zum Teufel brachte er mich also hin?
    Schon die Frage zu stellen lieferte mir die Antwort. Sie war in seiner Programmierung enthalten. ZUR STATION ZURÜCKKEHREN. Toll. Wo war diese Station? Ich sah mir die Datei an und fand den genauen Breiten- und Längengrad bis hin zur fünfzigsten Dezimalstelle, doch das sagte mir nichts. Bei näherem Hinsehen fand ich einen technischen Bericht über seine Station. Es war ein Stuhl, vermutlich eine Ladestation. Ich zog mich davon zurück und suchte nach einem Logbuch seiner Aktivitäten während der letzten Tage.
    Er war nicht untätig gewesen. Ich ging es rückwärts durch. Er hatte Uni Prep angegriffen und Phase eins seines Auftrags erfüllt. Ergreifen. Davor war er in Guillorys Schwebejacht auf dem Weg zurück zu seiner Station gewesen, als er meinen Irisscan im Wohnheim aus dem Netz herausfischte.
    Es war die Netzhauterkennung! Jedesmal, wenn meine Iris
gescannt wurde, erhielt er eine Meldung über das Netz. Was mich lange vor ihm bewahrt hatte, war die altmodische Fingerabdruckerkennung zu Hause und der Umstand, dass ich nirgendwo anders hinging als zur Schule und zur Physiotherapie. Hätte Otto sich mit mir auf dem Schulhof unterhalten statt im Wohnheim, wären wir jetzt noch gesund und munter, er hätte keine Brüche und Prellungen, und ich wäre nicht auf dem Weg zu meiner Hinrichtung.
    Vor dem Auftauchen in der Schule war der Plastobot im UniCorp-Gebäude gewesen, um festzustellen, dass ich mich nicht mehr dort aufhielt. Jede Menge Wachleute und zerbrochenes Glas. Ich erhaschte sogar einen kurzen Blick auf Xavier, der jemanden anbrüllte, und mein Herz tat einen freudigen Sprung.
    Ich überflog die Rückreise von Nirwana und schauderte mental, als die Bilder von Guillorys Tod rückwärts abliefen. Niemand verdiente so ein Schicksal. Und es kam noch schlimmer  – da hatte ich ihn die ganze Zeit gehasst, dabei hatte er sogar versucht, das verdammte Ding aufzuhalten. Er musste mich in der Absicht, mich von ihm wegzuzerren, am Arm gepackt haben, war aber zu betrunken und unbeholfen gewesen. Ich verfolgte die Fahrt in dem entwendeten Gleiter und, rückwärts ablaufend und aus anderer Perspektive, die Nachrichtensendung, die ich auf Nirwana gesehen hatte, wie der Plastobot den Gleiter an sich gebracht hatte.
    Ah, hier war es. Endlich sah ich im Logbuch des Plastobots, wie er durch ... ja, was ging? Es sah aus wie ein Garten. Ein geheimer Eingang? Ich hatte keine Ahnung, wo er sich da befand, bis ich flüchtig das Eingangstor von Unicorn Estates erblickte.
    Das versengte Ding war die ganze Zeit praktisch unter meinen Füßen gewesen! Rückwärts sah ich es durch das Kellergeschoss
staksen, direkt an meiner Stase-Röhre vorbei! Er musste ganz dicht an mir vorbeigekommen sein, als mich in der ersten Nacht seines Angriffs dort zusammenkauerte.
    Eine Geheimtür ... oder vermutlich gar nicht so geheim. Einfach vergessen. Eine Metalltür schwang auf, und der Plastobot kehrte rückwärts zu der Station in einer Ecke des Raums zurück.
    Der Raum kam mir gespenstisch bekannt vor. Die Ausstattung war mir vertraut. Daddys Büro im UniCorp-Gebäude hatte genauso ausgesehen mit all den Netzcomputern ringsherum und dem dick gepolsterten Lederschreibtischsessel. Die Bildschirme waren jetzt dunkel und staubig, bis auf einen oder zwei, die noch ein unregelmäßiges Blitzen vom Reststrom in den Kabeln von sich gaben. Der Lederbezug des Sessel war rissig geworden, und irgendein Nagetier hatte ein Nest in dem Polstermaterial gebaut. Aber ich wusste sofort, dass das Daddys zweites Heimbüro gewesen war: das, in dem er all die nicht ganz legalen Geschäfte angeschoben hatte, die nötig gewesen waren, um UniCorp zum größten Wirtschaftsunternehmen der

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