Während ich schlief
zufielen. Immer hatte ich meine Stase-Träume festhalten wollen, doch jetzt kämpfte ich gegen sie an, verbannte die heiteren Gewitterstürme meiner Fantasie und zwang meine Augen, die fahle, blaugraue Umgebung des Untergeschosses wahrzunehmen und nicht die hellen Farben meiner Träume. Ich hieß den Schmerz in meinem Knie und meiner Schulter und das Brennen meiner Augen willkommen und stemmte mich aus der Röhre. Sie piepte, als sie eine Störung des Ablaufs registrierte. Langsam öffnete sich der Deckel wieder.
Dank der durch mich hindurchströmenden Chemikalien spürte ich keine Angst, als der Plastobot, der sich bereits umgedreht hatte, ebenfalls eine Störung im vorgesehenen Ablauf registrierte. Er hielt inne und stellte sich neu ein, da sein ursprünglicher Plan vereitelt wurde. Gleich würde er auf mich losgehen, sobald seine Systeme sich angepasst hatten. Ich hätte jetzt die Flucht ergreifen können, aber ich wäre nicht weit gekommen. Ich war zu geschwächt, meine Nanobots arbeiteten nicht, und er hätte mir den Weg verbaut, bevor ich auch nur halb beim Aufzug wäre. Es gab jedoch eine Alternative zur Flucht.
Die Freiheit von Angst gewährte mir stets eine ruhige Klarheit. Ich glaube, deshalb hatte ich auch immer so an der Stasis festgehalten, selbst wenn ich es nicht musste. Diese Klarheit brachte mich nun zu der Erkenntnis, dass es nur einen Weg gab, diesen erbarmungslosen Plastikfeind zu besiegen.
Hitze.
Mit dem Ende des Kontrollkragens stach ich auf das weiche, rosafarbene Seidenpolster meiner Röhre ein. Die spitzen Elektroden bohrten sich in den Stoff, und mit den harten
Kanten des Kragens riss ich ganze Batzen der Polsterung heraus. Ich wusste, wonach ich suchte, und ich wusste, wo es war.
Fetzen von Seidensatin hingen an meinen Händen, doch ich fand die Verbindungsdrähte zu der NeoFusion-Batterie, mit der meine Stase-Röhre betrieben wurde. Ich folgte ihnen nach unten, riss die Sicherheitsabdeckung heraus, und da war sie. Die Batterie, ein großer, zylindrischer Behälter, so lang wie mein Unterarm und so dick wie mein Kopf im Durchmesser. Das Adrenalin verlieh mir die Kraft, sie aus ihrer Verschalung herauszuzerren. Sie war schwer, aber unmöglich war es nicht.
Mit einem ärgerlichen Jaulen gab meine Stase-Röhre ihren Geist auf, und die Lämpchen und Chemikaliendüsen erloschen. Der Plastobot bewegte sich auf mich zu und war kaum noch fünf Meter entfernt. Ich schüttelte die Batterie mit dem dicken UniCorp-Etikett, wirbelte die Neutrinos durcheinander und kehrte die natürliche Polarität um. Dabei verfluchte ich meinen Vater, der mich glauben gemacht hatte, ich sei zu dämlich für alles. Ich hätte ohne Weiteres UniCorp leiten können. Schließlich hatte ich genug Wissen über das zu seiner Zeit aufsehenerregendste Produkt der Firma aufgeschnappt, nicht wahr? NeoFusion-Batterien dürfen nicht in Gleitern oder sonst etwas verwendet werden, das einen Zusammenstoß erleiden könnte. Zu explosiv.
So wie ich.
Ich schleuderte die Batterie auf den Plastobot in der Hoffnung, sie würde beim Kontakt explodieren. Er fing sie geschickt auf, und alle Hoffnung schwand. Ich ließ mich in die zerstörte Röhre fallen und betete, dass noch ein paar Drogenreste vorhanden waren, betete um eine Ende ohne Angst. Ich war tot. Auf Wiedersehen, Xavier. Auf Wiedersehen, Bren, Otto, Mina, Sonne, Mond, Sterne, Liebe, Leid, Reue, Glück, Kunst, Schönheit.
Doch ich hatte nicht mit der Kraft des Plastobots gerechnet und nicht mit seiner Programmierung. Gegen alles angehen, das die Ergreifung der Zielperson zu verhindern sucht. Mit einer schnellen Drehung seiner Hände zerdrückte er das Batteriegehäuse, worauf pure Energie entwich.
Hastig griff ich nach dem Deckel der Röhre, um ihn über mir zuzuziehen, doch ich war nicht schnell genug. Der erste Hitzeschwall traf mich, und mein ganzer Körper färbte sich knallrot, wie nach einem Sonnenbrand. Meine Fingerspitzen, die ich als letzte einzog, bekamen Brandblasen. Die Röhre aber war so konstruiert, dass sie Feuersbrünsten, den Tiefen des Weltraums und Nuklearkatastrophen standhielt. Sie konnte mich leicht vor einer einzigen milden NeoFusion-Explosion schützen.
Mit zusammengekniffenen Augen wartete ich das Schlimmste ab. Dann bemerkte ich ein hell flackerndes Licht und traute mich, durch das NeoGlas des Deckels hinauszuspähen. Der plötzliche Hitzestoß war vorbei – er konnte nur ein paar Sekunden gedauert haben nach der Beschädigung des Gehäuses -,
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