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Waffenschwestern

Waffenschwestern

Titel: Waffenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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Serrano schon Erfahrungen als Gefangener gesammelt hat«, fuhr Lieutenant Commander Uhlis fort. »Aber nicht die geringsten in Entkommen.« Esmay warf ihm einen scharfen Blick zu. Sein Ton war mehrdeutig und tendierte in eine Richtung, die sie noch nicht einordnen konnte.
    Barin sagte nichts; die anderen hatten sich zu ihm umgedreht.
    »Ein gefangener Offizier hat die Pflicht, einen Fluchtversuch zu unternehmen, nicht wahr, Serrano?« Der Ton war jetzt schärfer und verriet mindestens Sarkasmus.
    »Ja, Sir.«
    »Und doch … haben Sie es nicht getan.«
    »Ich bin nicht entkommen, Sir.«
    »Haben Sie es überhaupt versucht1?« Das war jetzt Verachtung. Esmay spürte die Spannung im Raum.
    »Nicht so, dass es Wirkung gezeitigt hätte«, antwortete Barin.
    »Sir.«
    »Ich hätte eigentlich erwartet, dass ein Serrano ein paar Schläger der Bluthorde aufwiegt«, sagte Uhlis. »Wären Sie so freundlich, der Klasse Ihre Fehler zu erläutern?« So
    ausgedrückt, war es keine Bitte.
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    »Sir, ich war sorglos. Ich hielt die Person, die ich in der Inventarbucht sah und die eine Flottenuniform mit Flotten-aufnähern trug, für einen Angehörigen der Flotte.«
    »Ah. Sie erwarteten also, dass es sich bei der Bluthorde um pelzbekleidete Barbaren mit Schwertern handelte…«
    »Nein, Sir. Ich habe jedoch nicht damit gerechnet, dass sie in der Inventarbucht im Hinterhalt lagen. Wie ich schon sagte, Sir: Ich war unvorsichtig.«
    »Und wie genau haben die Sie gefangen genommen,
    Ensign?«
    Esmay konnte Barins Tonfall entnehmen, dass er sowohl Wut als auch Scham empfand. »Ich stieg gerade ein Regal hinauf –
    ein Schiff vom Typ Deep Space Repair verfügt über
    automatisierte Lagerregale, die um die zwanzig Meter hoch sind, aber die Automatik war abgeschaltet. Die
    Schiffsvorschriften verlangten, Sicherungsgeschirr und –leine zu benutzen, sodass ich an der Leiter hing, die ich hinaufstieg.
    Die Regalböden lagen weit genug auseinander, um einer
    liegenden Person Platz darauf zu bieten; als ich weit genug hinaufgestiegen war, hielt mir jemand eine Pistole an den Kopf.«
    »Und haben Sie sich gewehrt?«
    »Ja, Sir. Aber in Anbetracht des Geschirrs, der Leute, die meine Beine packten, und des Schlags auf den Kopf nicht wirkungsvoll.«
    »Ich verstehe.« Uhlis musterte den Rest der Klasse. »Die Lektion besteht in diesem Punkt darin, dass die
    Unaufmerksamkeit eines Augenblicks – ein kurzes Nachlassen der Vorsicht – zu Ihrer Gefangennahme führen kann und eines 54
    Tages auch wird. Der Ensign hielt sich an Bord eines
    Flottenschiffes für sicher, obwohl er wusste, dass Eindringlinge die normalen Sicherheitsvorkehrungen überwunden hatten. Er sah nichts, hörte nichts, roch nichts, spürte nichts – und überzeugte sich zweifellos selbst davon, dass jeder ungewöhnliche Eindruck nur an der generellen Ausnahmesituation lag. Andere würden sich schon darum kümmern. Er kann von Glück sagen, dass er noch lebt, und er tut es wahrscheinlich nur, weil seine Entführer dachten, dass er ihnen so mehr nützen könnte.«
    Uhlis legte eine Pause ein, lange genug, damit ein diskretes Rascheln die Unsicherheit verriet, die sich unter den übrigen Schülern ausbreitete. »Aber der Ensign hat etwas richtig gemacht. Tatsächlich sogar zwei Dinge. Er blieb am Leben, als es womöglich leichter gewesen wäre zu sterben. Und er hat sein Trauma richtig aufgearbeitet, wie seine Reaktionen soeben bewiesen haben.«
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Raums schoss eine
    Hand hoch. »Sir-ich verstehe das nicht.«
    »Lieutenant Marden, vermute ich?«
    »Ja, Sir.«
    »Seien Sie so nett, sich nächstes Mal vorzustellen. Und Eile kann Ihnen in diesem Kurs das Leben kosten. Wenn Sie etwas nicht verstehen, dann warten Sie. Seien Sie still. Hören Sie zu.
    Sie lernen dann vielleicht etwas, was Ihnen das Leben rettet.«
    Alle waren ganz still; Esmay stellte fest, dass es ihr schwer fiel zu atmen. Sogar Brun war ganz reglos geworden, wie sie feststellte.
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    »Aber da ich es ohnehin erklären wollte, tue ich es jetzt.
    Ensign Serrano hätte zweifellos die Absicht seiner Entführer verändern können, ihn am Leben zu lassen, indem er zu viel Ärger machte, ohne dadurch jedoch entkommen zu können.
    Soweit ich weiß, nachdem ich seine Abschlussbefragung
    gelesen habe, bot sich ihm keine reale Fluchtmöglichkeit. Somit war es seine Pflicht, möglichst am Leben zu bleiben und seine Entführer nicht so weit zu treiben, dass sie ihn umbrachten. Das tat er, ertrug

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