Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
Intuition. Auch Männer können sensibel …«
»Viel blöder kann man ein Gespräch nicht eröffnen.«
»Ich kann auch wieder gehen«, sagte der Mann in Schwarz beleidigt.
Ich wartete, aber er ging nicht. Er schien schon leicht zu schwanken.
»Sie leben also allein?«, wiederholte er.
»Nein«, sagte ich, »ich lebe mit Gismo.«
»Italiener?«
»Katze. Weiblich.«
»So eine sind Sie?«
»Ja.« Der Mann schüttelte bedauernd den Kopf. »Deswegen essen Sie wahrscheinlich so viel. Lustsublimierung.«
»Sicher«, sagte ich friedlich und schob mir noch zwei Shrimps in den Mund. Leute gab’s. Ich würde ihn ignorieren.
Er wechselte das Thema. »Selbstmord ist auch kein Ausweg.«
Das hatte ich auch gar nicht erwogen.
»In meinem Haus hat sich ein junger Mann aus dem Fenster gestürzt. 13. Stock. Tot. Der hatte irgendwie auch Probleme mit dem Selbstwertgefühl.«
»Sind Sie Psychiater?«
»Nein, Mittelschulprofessor.«
Ich schwieg. Meiner Freundin konnte es auch nicht besonders gehen, wenn sie schon solche Mittelschullehrer einlud. Okay, es war August.
»Dabei kam er aus einer guten Familie.«
Wahrscheinlich ist der Typ auch aus einer guten Familie, dachte ich.
»Bellini-Klein.«
Ich stutzte. Mein schwarzer Denker lallte weiter, wechselte das Thema und faselte etwas über Kierkegaard und das aktuelle Fernseh-programm.
»Bellini-Klein haben Sie gesagt?«, fragte ich.
Mein Visavis blieb im Satz stecken. Er wurde offenbar nicht gerne bei einem Gedanken unterbrochen, und nach einigen Gläsern Wein schon gar nicht. »Bellini-Klein?«
»Na, der Selbstmörder.«
»Ja. Hat sich umgebracht, am Wochenende, dabei war er noch keine 30.«
»Wissen Sie, ob er etwas mit dem Präsidentschaftswahlkampf zu tun hatte?«
»Politik interessiert mich nicht«, murmelte der Mann in Schwarz beleidigt.
»Kannten Sie ihn persönlich?«
»Wer kennt schon wen?«
»Was hat er gemacht?«
»Im selben Haus gewohnt wie ich, mehr weiß ich nicht.«
»Wahlkampf?«
»Keine Ahnung, ich dachte, er hätte etwas mit einer Beratungsfirma zu tun.«
Ich ließ mir seine Adresse geben, was er offensichtlich missverstand. Da konnte ich ihm auch nicht helfen.
[ 3 ]
Am nächsten Morgen war mein erster Weg zu Droch. »Bellini-Klein ist tot«, platzte ich in seinem Büro heraus und schwieg dann dramatisch.
»Können Sie nicht anklopfen?«
»Hier klopft doch niemand an.«
»Bei mir schon.«
»Bellini-Klein ist tot.«
»Dieser Mitarbeiter?«
Ich nickte.
»Wollen Sie zu den Todesanzeigen wechseln, oder was?« Droch war besonders guter Laune.
»Verdammt«, sagte ich, »Bellini-Klein ist tot, und Fischer und Orsolics haben einander beglückwünscht, dass er nun endgültig erledigt ist. Ich habe es selbst gehört.«
»Sie haben also die Mörder enttarnt«, meinte Droch und sah mich, ohne mit einem Gesichtsmuskel zu zucken, an.
»Und Vogls Tochter hat ›Mörder‹ geschrien.«
»Gängiger Ausdruck, vielleicht ist sie Vegetarierin.«
»Bellini-Klein ist aus seiner Wohnung im 13. Stock gestürzt.«
»Böse Vorsehung?«, ätzte Droch.
Der Alte konnte mich einmal. »Es soll Selbstmord gewesen sein, sagt ein Nachbar.«
»Na also. Es gibt jede Menge Gründe, Selbstmord zu begehen. Mitarbeit in einem Wahlkampf ist ein besonders guter.«
»Fischer und Orsolics haben gesagt, dass er erledigt ist.«
»Auch ein Grund für einen Spinner, Selbstmord zu begehen. Ausschluss vom Wahlkampf.«
Ich sah ihn fassungslos an. »Wir werden nicht darüber schreiben?«
»Natürlich werden wir darüber schreiben, aber ohne wilde Spekulationen. Es ist witzig genug, dass sich jemand aus dem Wahlkampfteam umbringt, wenn es auch nur ein kleines Würstchen war.«
»Er soll Wahlkampfkoordinator gewesen sein.«
»Mir war sein Name nicht bekannt. Er wird sich aufgespielt haben. Und er scheint auch niemandem abzugehen. Heute fliegt Vogl nach Rom und lässt sich auf dem Petersplatz den Segen erteilen.«
»Ist nicht wahr.«
»Doch. Aber keine Privataudienz, sondern schön gemeinsam und klassenbewusst mit der Masse des Volkes.«
»Vielleicht werde ich bald auch so …«
»Nein, da müssen Sie noch viel lernen.«
Wofür hielt er mich eigentlich? Ich beugte mich zu ihm und sagte: »Erstens: Ich bin kein kleines dummes Mädchen. Zweitens: Ich werde recherchieren, wie die Typen im Wahlbüro auf den Tod von Bellini-Klein reagieren, ob sie’s schon gewusst haben, und wenn ja, seit wann. Drittens: Wenn wir schon zusammenarbeiten sollen, dann benehmen Sie sich wie
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