Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
gemacht, kein Wunder, dass Bellini-Klein nicht abgehoben habe …
Orsolics brachte das so tief ergriffen vor, dass ich beinahe ins Zweifeln geriet. Die Polizei konnte die Wahlkampfleitung doch nicht uninformiert gelassen haben … Nein, sicher nicht. Und wenn sie nichts von Bellini-Kleins Tätigkeit wusste?
Orsolics erging sich inzwischen über die vielen guten Eigenschaften von Bellini-Klein.
»Sie haben ihn aber hinausgeworfen, oder Sie hatten das zumindest vor«, warf ich trocken ein.
»Keine rechte Verwendungsmöglichkeit, das war das Problem. Er passte nicht in die Struktur, obwohl wir ihn nie hinausgeworfen hätten.«
»Sie und Frau Fischer sollen einander ja beglückwünscht haben, dass sie Bellini nun endlich los seien. Sogar Worte wie Schadensbegrenzung sollen gefallen sein. Man erfährt so einiges.«
Orsolics lachte schallend: »Und jetzt sagen Sie mir noch, dass ich der Mörder bin. Ich gestehe, ich gestehe. Da geht mit Ihnen die Fantasie durch. Der arme Bellini-Klein! Besonders stabil war er nie. Sollten Sie sich nicht um die Human-Touch-Geschichten kümmern? Oder ist das der Human Touch, den Sie meinen? Im Leben eines armen, nicht besonders stabilen jungen Mannes herumzuwühlen und seinen Tod sensationsgierig auszuschlachten?« Orsolics war von seinen eigenen Worten schwer beeindruckt und schwieg ergriffen.
»Ich stelle die Fragen«, sagte ich. »Und ich werde versuchen, darauf Antworten zu bekommen.«
»Der arme Bellini-Klein«, seufzte Orsolics, »das muss ich sofort Chloe Fischer erzählen.« Er drehte sich zur Verbindungstüre um.
»Stopp. Vogls Tochter hat ›Mörder‹ geschrien. Fällt Ihnen heute mehr dazu ein?«
Orsolics sah mich über die Schulter hinweg an. Sein harmloser Gesichtsausdruck war verschwunden. Wütend kniff er die Augen zusammen. »Wenn Sie noch einmal diesen Unsinn behaupten, werden wir Sie mit Klagen eindecken. Mörder! Und womöglich auch noch von Bellini-Klein. Vielleicht sagen Sie gleich, dass Sie glauben, dass Vogl einen seiner Mitarbeiter umgebracht hat. Noch dazu einen Mitarbeiter, den er nicht einmal kannte, so unwichtig war er.«
»Vogl kennt alle. Sein Gedächtnis, haben Sie schon vergessen? ›Phänomenal‹ nannten Sie es.«
»Ich warne Sie«, sagte Orsolics eisig, »eine Verleumdung, und Sie sind dran. Bellini-Klein hat sich selbst umgebracht.«
»Sie wussten also doch von seinem Tod?«
Orsolics stockte, aber nur kurz. »Das liegt doch auf der Hand.«
Er öffnete die Verbindungstür.
Chloe Fischer saß etwas außer Atem auf ihrem Platz und machte den Eindruck, als ob sie gelauscht hätte. Ich blieb in Orsolics’ Zimmer.
»Was ist?«, empfing Fischer den PR-Mann nicht gerade damenhaft. Ich stellte fest, dass ihre Stimme schrill wurde, wenn sie aufgeregt war. Nach einigem Getuschel rauschte Chloe Fischer an Orsolics vorbei. »Da ist sie ja immer noch«, sagte sie und blieb in gut drei Meter Entfernung von mir stehen. Anders als Orsolics wahrte sie Distanz.
Chloe Fischer funkelte Orsolics an, bevor sie zu sprechen begann. »Ich werde Ihnen erzählen, was wirklich vorgefallen ist. Herr Orsolics wollte Bellini-Klein nichts übles nachsagen. Tatsache aber ist, dass wir uns von ihm letzte Woche getrennt haben. Er passte nicht ins Team. Und er maßte sich Entscheidungen an, die nicht in seiner Kompetenz lagen. Er gab sich als wichtiges Stabsmitglied aus, was er nun wirklich nicht war. Also blieb uns keine andere Wahl. Wenn ich gewusst hätte, dass er das nicht verkraftet …« Ihre Stimme brach.
So konnte es gewesen sein, dachte ich. Aber da war noch etwas. »Warum haben Sie dem Team nichts vom Rausschmiss gesagt? Wo doch Transparenz alles ist?«
»Warum?«, wiederholte Orsolics. »Weil …«
»Weil wir Unruhe vermeiden wollten«, fiel ihm Fischer ins Wort. »Bellini-Klein hatte durch sein einnehmendes Wesen und äußeres viele Freundinnen und Freunde. Wir hätten Zeit gebraucht, ihnen alles genau zu erklären.«
»Und diese Zeit hat bis jetzt gefehlt, wir haben schließlich Wahlkampf. Wir wollten in der morgigen Wochensitzung, an der alle Mitarbeiter teilnehmen, darüber informieren«, ergänzte Orsolics.
Was für ein Duo. Ich nickte. Auch das hatte etwas für sich. »Und wann haben Sie von Bellini-Kleins Tod erfahren?«
Chloe Fischer zog ihre Augenbrauen hoch. Eisig sah sie mich an. »Wer glauben Sie, dass Sie sind?«
»Nur eine Journalistin.«
»Dann hören Sie zu. Ich habe davon jetzt erfahren. Und ich werde jetzt die Polizei kontaktieren.«
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