Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
ein Mensch. Und dass Sie es wissen: Hierarchien sind mir scheißegal.«
Droch zog die Mundwinkel nach oben: »Dass Sie klein sind, habe ich weder gesagt noch gedacht.«
Ich rauschte hinaus. Dieser Droch brachte mich immer wieder in Rage. Ich warf einen Blick zurück. Er saß da und lächelte, wenn auch etwas schief. Im nächsten Moment wandte er sich wieder seinem Bildschirm zu.
Ich drückte auf den Klingelknopf des Wahlbüros. Die kleine Videokamera trat in Aktion, ein Summen ertönte, die Doppeltüre sprang auf. »Hallo«, sagte ich zu niemand Bestimmtem. Hinter dem breiten Empfangspult mit Vogl-Logo erhob sich ein junges Mädchen mit kurzgeschorenen blonden Haaren und kam auf mich zu. Ihre beiden Kolleginnen hatten Kopfhörer mit Mikros auf und machten Telefondienst. Ob sie auch Politologin war? Eigentlich sah sie für ein abgeschlossenes Studium zu jung aus – aber vielleicht fing ich auch nur an, alle möglichen Menschen für alles mögliche als zu jung einzustufen.
Mir wurde freundlich mitgeteilt, dass ich selbstverständlich willkommen sei. Ich könne mich im Hauptquartier frei bewegen und solle nicht zögern, Fragen zu stellen oder Wünsche zu äußern. »Ich heiße Monika«, strahlte mich die blonde schicke Frau an.
»Sind Sie Politologin?«, fragte ich. Mein Gegenüber lachte überrascht. Nein, sie studiere noch. Biologie. Und sie finde die Arbeit hier super. Die Gegenkandidatin vom Bündnis sei zwar auch in Ordnung, aber habe – seien wir ehrlich – keine Chance. Und außerdem gebe es bei denen kaum Jobs. Das könnten die sich nicht leisten. Nächstes Jahr werde sie mit ihrem Studium fertig, und dann hoffe sie auf einen Ausbildungsplatz für das Lehramt.
»Und da hilft Ihnen die Mitarbeit beim Wahlkampf? Die Partei? Parteibücher und so?«
Monika war schon wieder überrascht. »Aber nein, das mit den Parteibüchern ist echt vorbei. Ich erwerbe mir hier eine Zusatzqualifikation, damit ich einen Job finde.«
Alles so sauber. Ich fühlte mich schmutzig. Bei Gelegenheit würde ich gerne einige Minuten mit Frau Fischer oder Herrn Orsolics reden, ließ ich Monika wissen.
Monika bot mir – gut geschult – stattdessen den Pressesprecher an. Ich lächelte freundlich. »Wenn’s nicht gleich geht, ist es auch kein Problem. Ich kann warten.« Monika führte mich zur Medienecke. Ich setzte mich. In einer anderen Ecke des Riesenraumes saßen rund 15 Personen um einen großen Tisch. Sie falteten Briefe und steckten sie in Kuverts. Eine ältere Dame kam mir bekannt vor. Ich kniff die Augen zusammen. Vielleicht sollte ich doch einmal zum Augenarzt gehen. Richtig, es war die nette Frau Schneider aus meinem Haus, die einmal im Stiegenhaus Gismo eingefangen hatte, und seit damals plauderten wir über Katzen und Kekse, wenn wir einander am Gang trafen. Ich schlenderte hinüber.
»Das ist aber eine überraschung«, rief Frau Schneider. Zehn Minuten und eine Wurstsemmel später wusste ich mehr. Frau Schneider war Sozialdemokratin, schon seit der Zwischenkriegszeit. Nicht, dass ihr jetzt alles in der Partei gefiel, aber man müsse zusammenhalten, gerade wenn es nicht so gut laufe. Für sie komme eben nichts anderes infrage. Sie sei immer Sozialdemokratin gewesen und werde es auch bleiben. Und immerhin sei Vogl ein sehr netter Mann. Er habe ihr sogar schon persönlich die Hand geschüttelt.
Ich wollte sie nicht kränken und verbiss mir einen Kommentar zum päpstlichen Segen. Vielleicht war die alte Dame auch katholisch. Warum nicht? Aber irgendwie steigerte das Gespräch mit Frau Schneider meinen Wunsch, der Wahlkampfleitung Schwierigkeiten zu bereiten.
Wie auf ein Stichwort erschien in diesem Augenblick Orsolics. Er rieb sich die Hände, als er sich mir mit freundlichem Grinsen näherte. »Noch Fragen?«, lächelte er, und ich erwartete fast, er würde vor lauter Bereitwilligkeit einen Diener machen.
»Ja«, sagte ich. »Seit wann wissen Sie, dass Bellini-Klein tot ist?«
Orsolics bat mich in sein Zimmer. »Was sagen Sie da?«, fragte er im Schutz seines Nussholzreiches.
»Bellini-Klein ist seit Montagabend tot. Seit wann wissen Sie davon?«
Orsolics riss die Augen auf und warf dann die Hände in die Höhe.
Das schien mir doch etwas gekünstelt. »Die Polizei hat mit Ihnen bereits geredet. Er hat hier gearbeitet, und er hat sich umgebracht. Da gehört eine Nachfrage zur Routine.«
Orsolics überlegte etwas zu lange und tat dann weiter auf erstaunt. Wie schrecklich, meinte er, sie hätten sich schon Sorgen
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