Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Innenministerium und Polizeiapparat bestens vertraut ist, kam zum gleichen Ergebnis.
Diese Annahme gründet auch darauf, dass Präsident Ziegenaus es bestimmt nicht gewagt hätte, von sich aus der Staatsanwaltschaft die Amtshilfe zu verweigern. Denn dies wäre nicht nur ein gesetzwidriger Verstoß gegen das Polizeiorganisationsgesetz, sondern auch eine strafbar e Vereitelung im Amt (Paragraf 25 8 a StGB) gewesen. Nur wenn er die Rückendeckung des Ministeriums hatte, konnte er gefahrlos handeln.
Somit ist schlussfolgernd anzunehmen, dass Innenminister Beckstein schon vor der Vernehmung des Präsidenten Ziegenaus und der zwei Kriminalkommissare gewusst haben könnte, dass diese eine Falschaussage machen würden. Eine Falschaussage, die sie selbst, aber auch ihn schützen würde. Dies gilt umso mehr, als es absolut üblich ist, dass Aussagen von Beamten vor einem Untersuchungsausschuss zusammen mit dem Ministerium vorbereitet werden. Das wiederum würde erklären, warum Beckstein gegen Ziegenaus und die beiden Kriminalkommissare kein Disziplinarverfahren einleitete und warum kein Strafverfahren wegen Falschaussage eröffnet wurde – anders als gegen den Leiter der Sonderkommission in der Schottdorf-Affäre.
Ist es vorstellbar, dass Beckstein, der – wie ein Kabinettskollege sich erinnerte – gegenüber Stoiber stets sehr ängstlich war, ohne Rücksprache mit dem Ministerpräsidenten entschieden hat? Erich Riedl, der frühere Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, wiederum hat öffentlich erklärt, das Strafverfahren gegen ihn sei entgegen dem Votum der Staatsanwaltschaft Augsburg rechtswidrigerweise nicht eingestellt worden, weil seiner Vermutung nach Ministerpräsident Stoiber unter dem Druck von Max Strauß gestanden habe. (Anmerkung: Max Strauß lag mit Erich Riedl in heftigem Streit.) Das ist durchaus plausibel, denn Max Strauß dürfte in der Tat über brisantes Insiderwissen verfügen. Laut Erich Riedl hat er selbst Folgendes geäußert: Wenn er sich nur einen Tag hinsetze und niederschreibe, was er über Edmund Stoiber wisse, dann hätte dieser ein echtes Problem.
Falls dies zuträfe, hätte Max Strauß Edmund Stoiber womöglich auch dahingehend unter Druck setzen können, dass seine Festplatte und das Streamerband nicht wieder lesbar gemacht wurden. Das würde die Annahme nahelegen, dass letztlich Edmund Stoiber die Verweigerung der Amtshilfe durch das Landeskriminalamt zu verantworten habe. Sowohl das Strafverfahren gegen Staatsekretär Erich Riedl als auch die Festplatte und das Streamerband von Max Strauß waren Chefsache. Daher die Schlussfolgerung: Es dürfte nicht völlig fernliegend sein, dass die Entscheidung in beiden Fällen Edmund Stoiber getroffen hat!
Damit stellt sich natürlich auch die Frage, wer seine Hand im Spiel hatte, als die Festplatte und das Streamerband schließlich verschwanden. Bei meinen Lesungen wurde ich von den Zuhörern immer wieder gefragt, ob ich dazu etwas sagen könne. Das zeigt, wie sehr das Vertrauen der Bürger in Polizei und Justiz mittlerweile erschüttert ist. Denn wenn in einem politischen Skandalfall das Landeskriminalamt die Amtshilfe verweigert, hohe Kriminalbeamte strafbare Falschaussagen machen und schließlich sogar ein beschlagnahmtes Beweisstück verschwindet, geht es um Elementares. Das haben die Bürger verstanden.
Aber ist das Streamerband überhaupt verschwunden? Eine verblüffende Frage. Die Staatsanwaltschaft übersandte das Band, nachdem sie es vom Landeskriminalamt zurückerhalten hatte, einem privaten Sachverständigen, damit er es wieder lesbar mache. Bei diesem Sachverständigen oder bei der anschließenden Rücksendung ist das Datensicherungsband dann verschwunden. Als ich jedoch in einem Gespräch mit Kennern der Materie äußerte, die Festplatte sei verloren gegangen, lächelten diese. »Ja«, sagten sie, »ein Datenband ist verschwunden, aber welches?« Dann erfuhr ich, dass es im Landeskriminalamt ein festes Verfahren gibt, um Datenträger als Beweismaterial zu sichern. Nach Erhalt werde zunächst eine »Spiegelplatte« gezogen, von dieser eine weitere, mit der dann gearbeitet werde. Gehe eine Platte auf dem Rücktransport verloren, gebe es noch die beiden anderen. »Wenn die Leute wüssten …«, würde es deshalb bisweilen im Landeskriminalamt heißen, sobald die Rede auf das angeblich verschwundene Datenband von Max Strauß komme.
Günther Beckstein hat in seinem Lehrbuch über die Zehn Gebote immerhin bekannt: »Auch ich
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