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Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
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United-Airlines-Fluges zu Boden taumeln sah. In einem Nebenraum des Coal Miner’s Café, wo er gelegentlich frühstückt, erinnern Fotos an den Absturztag, an die Rauchsäule über dem Wald, die schmorende Riesenfurche, die das Flugzeug in die Erde kratzte, das gesicherte Gelände, wo sich nach der Explosion im Umkreis von Kilometern Flugzeugteile und Leichenreste fanden und, in acht Metern Tiefe, der Flugschreiber.
    »Larry«, streckt der Gast mir seine Hand entgegen, »Larry Williams.« Er sei auf dem Golfplatz gewesen an jenem Morgen, erzählt er. Gerade habe er sich noch über einen guten Schlag gefreut, da sei ihm am Himmel die Maschine aufgefallen. Viel zu tief und unruhig sei sie näher gekommen. Er habe zuerst gedacht, es sei ein Testflug. Dann habe sie sich gedreht, bis ein Flügel nach unten ragte, und sei hinter den Baumwipfeln verschwunden. Sekunden später habe er den Knall gehört.
    Larry war bis dahin ein hartgesottener Mann. Als »State Trooper«, wie sich die Polizisten hier nennen, habe er manches miterlebt. Kriminalität, Schicksalsschläge, Elend. Was ihn aus der Balance warf wie das Flugzeug über ihm, war die Geschichte des Fluges »UA 93«, von der er danach las. Denn die Terroristen kaperten die Maschine später als ihre Mitverschwörer auf den anderen Strecken. So erfuhren Crew und Passagiere, die von den Entführern in den hinteren Teil der Kabine verbannt worden waren, als sie über Bord- und Mobiltelefone ihre Familien anriefen, sogar noch von den Attacken auf die Türme von New York. Kurz darauf berieten sie sich, was sie tun könnten, und begannen, das Cockpit zu stürmen. Nach allem, was bekannt ist, gaben die Terrorpiloten deshalb ihren Plan auf, bis zum Kapitol in Washington zu fliegen, und rissen stattdessen die Maschine schon hier in die Tiefe.
    »Was hätte ich wohl gemacht?«, fragt Larry sich seitdem. »Wie hätte ich mich verabschiedet von meinen Lieben? Welche Worte hätte ich gewählt?« Seine Stimme zittert, seine Augen werden feucht. »Sie handelten nicht nur, sie stimmten sogar ab, sie waren noch demokratisch.«
    Bis heute ist Larry in kein Flugzeug mehr gestiegen. Und wenn seine Kinder auf Reisen sind, verfolgt er ihre Flugrouten am Computer – und macht kein Auge zu, bevor sie ihr Ziel erreicht haben.
    An der Gedenkstätte sprechen wir mit Angehörigen, die inzwischen angekommen sind. Sandra Felt, eine zierliche, in sich ruhende Frau, schildert uns lächelnd, was ihr irgendwann Kraft gegeben habe: »Mein Mann klang gefasst und besonnen, als er anrief.« Das habe ihr bald über die Verzweiflung hinweggeholfen. Sie selbst hatte gar nicht mehr mit ihm reden können. Er hatte nur die Telefonvermittlung erreicht. Der Witwe blieb allein der Gesprächsmitschnitt.
    Die junge Flugbegleiterin CeeCee Lyles dagegen war noch zu ihrem Ehemann Lorne durchgekommen. Er arbeitete Nachtschichten und schlief an jenem Vormittag. Der Anruf weckte ihn, dann wunderte er sich über das, was er durch die Leitung hörte. »Da war zunächst ein lauter Knall«, erzählt er. »Dann sagte CeeCee: ›Es beginnt jetzt, ich muss gehen. Sage den Jungs, dass ich sie liebe. Und ich liebe dich.‹« Danach habe er einen Schrei im Hintergrund gehört, und die Verbindung sei abgebrochen. Die Schilderungen hinterlassen auch mich nachdenklich. Wie Polizist Larry ertappe ich mich bei dem Gedanken, wie ich wohl reagiert hätte.
    Noch vor Sonnenaufgang durchschreiten wir am nächsten Morgen fröstelnd die Sicherheitsschleusen, um später im Frühnebel das Gedenkstättenareal zu überqueren. Auf einer Wiese, die von den Familien »Friedhof« genannt wird, markiert ein roter Findling die Absturzstelle. Bald häufen sich Blumensträuße der Trauernden darauf. Als wir unser Equipment zu den Live-Positionen schleppen, zuerst entlang einer schwarzen Granitböschung, dann einer weißen Marmormauer, die alle Opfernamen in sich trägt, bin ich froh über diese stillen, angemessenen Minuten vor dem ereignisreichen Tag.
    Die Expräsidenten Bill Clinton und George W. Bush sowie Vizepräsident Joe Biden halten behutsame Reden. Auch sie stellen heraus, wie 40 zufällig beieinandersitzende Passagiere die angegriffene Demokratie verteidigten, indem sie sie beherzigten. Sie sprechen von Helden, die noch als Todgeweihte den vierten Terroranschlag vereitelten, der mutmaßlich dem Herzen Washingtons gegolten hätte.
    Danach erhöhen die schwarz uniformierten Aufpasser die Sicherheitsstufe. Hoch gelegene Kamerapositionen lassen sie

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