Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
schadet Santorum, weil er das Anti-Romney-Lager teilt, solange er im Rennen bleibt. Doch weil er seinen Heimatstaat Georgia gewinnt, lässt auch er sich noch als »künftiger Präsident Amerikas« bejubeln. Und verbreitet an diesem Abend Lügen wie kein anderer: Obama habe gerade gesagt, steigende Benzinpreise seien deshalb schlecht, weil sie seine Chancen auf den Wahlsieg minderten, wettert er. Ein weiterer Beleg dafür, wie dieser Präsident das Leiden der Bevölkerung nur aus persönlichem Kalkül betrachte.
»Ich habe das nicht erfunden«, beteuert er. Doch in Wahrheit hatte Obama in seiner Pressekonferenz nichts dergleichen geantwortet – sondern das, was jeder Präsident gesagt hätte: Dass die Spritpreise der Wirtschaft schadeten, weil sie Produkte teurer machten, und den Familien, weil sie auf deren Hauhaltskasse lasteten.
Auch Romney formuliert kühn. Als hätte es Obamas Billionen-Sparangebot an die Republikaner nie gegeben und als verstoße jeder Dollar Steuern gegen die Verfassung, malt er erneut das Ende der Freiheit Amerikas an die Wand: »Obama will eine größere, einflussreichere Regierung, die uns sagt, wie wir uns krankenversichern sollen und wie viel Einkommen wir behalten dürfen. Wir aber wollen, dass Amerika so bleibt, wie es die Gründerväter wollten. Ich glaube an Amerika.«
Wie Jahre zuvor Hardliner Steve King Angst vor Obama schürte, indem er für den Fall seines Wahlsieges weitweit tanzende Terroristen ankündigte, verbreitet Romney auch außenpolitisch in diesen Tagen Düsteres: Bleibe Obama Präsident, verfüge der Iran bald über eine Atombombe.
Aus seinem Publikum meldet sich in Ohio ein Mann zu Wort, dessen Hauptsorge etwas anderem gilt. »Werden Sie mir als Präsident erlauben, mich und meine Familie mit einer Waffe zu beschützen«, fragt er ihn aufgeregt, »auch gegen eine tyrannische Regierung, der wir bereits sehr nahe sind?«
Romney widerspricht nicht. Und versichert, er werde das Waffenrecht schützen.
Hoffnung bei Hoovers
Die Kleinstadt North Canton in Ohio, zu Deutsch: Nordbezirk, hieß einmal Neu-Berlin. »Doch schon wegen des Ersten Weltkrieges schämten die Deutschstämmigen sich so sehr, dass sie den Ort umbenannten«, sagt Bürgermeister David Held. Noch immer überragt ein Wahrzeichen die Dächer, das sechs Großbuchstaben übereinander trägt: der Fabrikschornstein der Hoover-Werke. 1908 begannen sie hier mit der Serienproduktion, 100 Jahre später machten sie dicht. Dazwischen waren sie der weltgrößte Hersteller von Staubsaugern. Wie vielerorts im Stahlgürtel Amerikas standen zuletzt die Werkshallen leer, wartete man auf die Rückkehr der Blütezeit, auf den Investor, der alles wieder richten würde. Präsidentschaftskandidaten, die hier auftraten, hatten kaum mehr zu sagen, als dass die Jobs nicht mehr zurückkämen.
Hinter Helds Schreibtisch hängen zwei gerahmte Bilder. Eines in schwarz-weiß bezeugt die Tristesse einer geräumten Produktionshalle. Doch daneben beweist ihm eine Farbaufnahme von Hoovers neuem Innenleben, dass es nun erstmals wieder aufwärts geht. Die Kleinstadt hat einen Heizlüfter-Hersteller angelockt, mit Steuererleichterungen und geschenktem Großparkplatz. »Wir können uns hier keinen Parteienstreit leisten«, sagt Republikaner Held, »wir brauchen Gewerbeeinnahmen.« Natürlich sei der Staat kein Feind der Wirtschaft, widerspricht er dem Wahlkampfgetöse seiner Partei. Er müsse Bedingungen schaffen und hilfreiche Regeln vorgeben. In North Canton lautet sie, dass jeder Profit, der hier verdient wird, in die Fabrik zurückfließen muss.
Als wir durch den Betrieb laufen, donnern Hydraulikstanzen im Takt, am Fließband stehen Hunderte von Arbeitern, die Teile montieren und verschrauben, als hätte hier nie eine Maschine stillgestanden. Auch ihre Einkommen mussten dafür allerdings erst auf frühere Niveaus absinken – die meisten kommen lediglich auf acht Dollar pro Stunde. Zudem arbeiten sie nur im Winter, wenn der Absatz anzieht. Für den Sommer müssen sie einen anderen Job finden. »Damit sind wir aber wettbewerbsfähiger als China«, erklärt uns der Werkssprecher. »Deshalb haben wir Jobs von dort zurückgeholt. Wir hoffen, dass wir aus den Winterarbeitsplätzen bald Vollzeitstellen machen können.«
Barack Obama wirbt mit dem neuen Trend, denn die Heizgebläse »made in USA« sind kein Einzelfall. Da in China Löhne steigen und Transportkosten zu Buche schlagen, verlegt das produzierende US-Gewerbe vielerorts die
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