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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Stunden, berauschend und bang
    Wir brachen die Kette, entsagten dem Glück,
    Wir scheiden, wir fliehen - und kehren zurück.
     
    O mein sei die Reue, und dein sei die Lust!
    Vergib, o mein Leben! - Verlaß, wenn du mußt;
    Das Herz, das dich liebt, verlier es die Ruh,
    Doch beugt es und bricht es kein andrer als du.
     
    Stolz wider die Stolzen, voll Demut vor dir
    Ist die Seele, ob es dunkelt und stürmet in mir;
    Und die Tage sind schnell, und die Stunden sind schön
    Bei dir, o mein Herz, wie in seligen Höhn.
     
    Dein Auge voll Liebe, dein Seufzer voll Leid
     
    Bannt oder vertreibt, straft oder verzeiht;
    Und Verhöhne die Welt mein Entsagen von dir,
    Antwortet, o Lippen, nicht ihnen - nur mir!
     
    »So«, sagte Lady Melbourne. Vor sich hatte sie ein Journal mit Byrons neuestem Gedicht, »Stanzen für Musik«, legen. »Ich glaube, Sie schulden mir eine Erklärung, mein Lieber.« Byron beobachtete sie und fand sie bewundernswert. Lady Melbourne verließ ihr Haus, das sie so ganz auf sich abgestimmt hatte, wo jeder Gegenstand ihre Persönlichkeit unterstrich, eigentlich so gut wie nie. Dort fühlte sie sich wohl, dort hatte sie jeden Besucher im Griff. Dennoch war sie heute in die St. James Street gekommen und verbreitete in seiner Junggesellenwohnung so viel Würde und Ausstrahlung, als säße sie in ihrem vielgerühmten Salon. Er lächelte etwas unsicher.
    »Aber Lady Melbourne, das ist eine Gelegenheitsarbeit.
    Thomas Moore wollte ein paar Strophen haben, die sich in Musik umsetzen lassen.« Lady Melbournes Augenbrauen zogen sich drohend zusammen. »Byron, glauben Sie nicht, daß ich Sie inzwischen kenne?« Etwas sanfter, doch immer noch der Vorwurf in Person, fügte sie hinzu: »Ich dachte, wir seien Freunde und Sie würden zu mir kommen, wenn Sie Probleme hätten.
    Und das hier«, sie tippte mit einer Fingerspitze gegen die Zeitschrift, die sie mitgebracht hatte, »klingt sehr ernst.«
    Byron schwieg. Lady Melbourne bemerkte zu ihrem Erstaunen, daß die Farbe seiner Augen, vielleicht durch den Lichteinfall, sich zu einem fast schwarzen Grau verdüstern konnte. Sie wartete einige Augenblicke, dann fuhr sie behutsam fort, ihrer ungeheuerlichen Vermutung nachgehend. »Sie wissen, Sie können mir vertrauen. Ich glaube nicht, daß Caroline Sie noch einmal schwach werden läßt, die Oxford ist fort, und danach sind Sie eigentlich nur mit einer Frau öfter gesehen worden. Ist es die Person, an die ich denke?«
    Byron zögerte einen Moment, dann nickte er. Lady Melbourne gelang es nicht ganz, ein entsetztes Atemholen zu unterdrücken.
    Als sie sich wieder gefangen hatte, sprach sie mit einer Ruhe in der Stimme, die sie ihr ganzes Leben lang eingeübt hatte. »Sie sind wahnsinnig geworden, alle beide. Ganz abgesehen von Kirche, Moral und Gesellschaft - für derartige Dinge sieht das Gesetz eine ziemlich harte Strafe vor.« Sie machte eine Pause, doch er lehnte sich zurück, und in seinen nun eindeutig grün schillernden Augen ließ sich keine Regung ablesen. Deswegen sagte sie mit absichtlicher Härte: »Für beide Teile.«
    Das traf ihn. Sein Gesicht verlor die maskenhafte Starre, und er sah mit einem Mal sehr jung und verwundbar aus. Er umklammerte nervös seine Stuhllehne und fragte schließlich: »Glauben Sie - glauben Sie, daß sie in Gefahr ist?« Er drehte den Kopf zur Seite und wandte ihr sein Profil zu.
    »Wie lange hat man damals gebraucht, um den Grund für die Reise von Lord Bespin und seiner Schwester herauszufinden?
    Aber das können Sie natürlich nicht wissen. Es ist jetzt - du meine Güte, schon dreißig Jahre sind seither vergangen.« Sie schüttelte den Kopf. »Meiner Meinung nach sollten Sie so schnell wie möglich versuchen, sich von dieser Geschichte zu lösen, in Ihrer beider Interesse. Im übrigen, wenn mich mein Instinkt nicht trügt, haben Sie an der Sache vielleicht weniger Schuld als eine gewisse andere Person. Schon gut«, sie wehrte seinen Protest ab, »schon gut. Ich meine nur, eine kleine Orts-veränderung würde Ihnen guttun. Haben Sie mir nicht erzählt, Sie seien zu einer Hochzeit in Aston eingeladen? An Ihrer Stelle würde ich hingehen. Die Braut soll ausnehmend hübsch sein.«
     
     
    Aston, 28ster Sept. 1813
     
    Meine liebe Lady Melbourne,
    - Ich sehe nicht, wie Sie leicht hätten weniger sagen können - Sie irren sich allerdings sehr in bezug auf sie - Sie - oder vielmehr ich haben meiner A großes Unrecht getan - und - es muß irgendeine selbstsüchtige Dummheit, beim

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