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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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daß sie irgend etwas sagt, das nicht auch vom Stadtausrufer verkündet werden könnte.«
    Zumindest waren Annabellas Briefe eine willkommene Ablenkung, um nicht darüber nachzudenken, daß jetzt die Rennsaison in Newmarket begonnen hatte und George Leigh sich also wieder bei Augusta befand. George Leigh!
    »Sie hat einen Narren geheiratet«, sagte er bei einem seiner Besuche zu Lady Melbourne, als sie ihn nach seiner Schwester fragte, »aber sie wollte ihn haben, und ich habe nie irgendwelche Anklagen, sondern immer nur Verteidigungen gehört.« Was zum Teufel hatte Augusta bewogen, die Frau dieses Mannes zu werden?
    Der Gedanke an George Leigh brachte ihn auf den Prinzregenten. Die königstreue Morning Post, die jede noch so banale Nachricht brachte, wenn sie nur mit etwas fürstlichem Glanz aufpoliert war, hatte in ihrer letzten Ausgabe stolz den Besuch des Prinzen bei den Gräbern Karls I. und Heinrichs VIII. vermeldet. Schlecht gelaunt, wie Byron war, schrieb er seinen Kommentar dazu:
     
    Hier ruhn, bekannt ob Treubruch allerwärts,
    Karl ohne Kopf, und Heinrich ohne Herz;
    Ein andres Ding dort zwischen ihnen steht,
    Nicht König, doch bezeptert, wie ihr seht,
    Dem Volk der erstre, seinem Weib der zweite.
    Zweifacher Zwingherr, seht in ihm sie beide
    Belebt aufs neue; ob Gerechtigkeit
    Und Tod auch jenen Staub im Wind zerstreut:
    Was hilft das Grab? Aus wirft es seinen Raub, Zu bilden einen George aus beider Blut und Staub.
     
    Seine Königliche Hoheit trug nämlich ebenfalls diesen absoluten Dutzendnamen.
     
    Byron vergaß allen Groll auf Monarchien im allgemeinen und den Prinzregeaten im besonderen, als ein Brief von Augusta kam. Sie könne nicht, wie versprochen, mit ihm auf Reisen kommen. Er brach sofort nach Six Mile Bottom auf.
     
    »Ich kann nicht«, sagte Augusta und versuchte, ihre Stimme nicht zittern zu lassen, »es geht einfach nicht. Du weißt genau, wenn wir das Land verlassen, werden wir nicht mehr zurückkehren können, weil man nicht lange brauchen wird, um den wahren Grund für unsere Reise zu entdecken.« Sie schluckte und fuhr sich mit den Händen nervös an die Kehle. »Du kennst das nicht, wie es ist, ohne Eltern und im Schatten eines Skandals aufzuwachsen, aber ich.«
    »Deine Kinder«, warf Byron ein und wich ihrem Blick aus,
    »wären nicht elternlos. Sie haben George.«
    Augusta erbleichte, als hätte er sie geschlagen. Sie ging auf ihn zu, bis sie unmittelbar vor ihm stand, und sagte langsam: »Legst du es darauf an, mich zu demütigen? Du weißt genau, daß George sie ohne weitere Bedenken dem Nächstbesten übergeben würde und«, sie klang auf einmal erschöpft, »ich hoffe, es hat dir große Freude bereitet, mich das sagen zu hören.« Sie wandte sich ab. Lange Zeit schwiegen sie, bis er schüchtern ihr Haar berührte. Plötzlich ergriff sie seine Hand und preßte sie an ihre Wange. Ihre Haut war eiskalt. Sie zitterte. »Ich kann nicht«, flüsterte sie. »Ich kann meine Kinder nicht verlassen, und ich kann George nicht verlassen. Er ist auch nur ein Kind, das alleine nicht zurecht kommt.«
    Byron legte seine Lippen auf ihre Augen, ihren Hals, ihren Mund. Augusta schlang die Arme um ihn und küßte ihn, lange und leidenschaftlich.
    »Du könntest deine ältere Tochter mitnehmen«, sagte er schließlich stockend, »die anderen sind ja wohl zu klein für so eine Reise. Aber, wenn du meinst, könnten wir es trotzdem versuchen…«
    »Nein«, murmelte sie traurig, »könntest du ständig mit drei Kindern zusammen leben - gerade du?« Er empfand in diesem Augenblick sehr klar alles um sich herum: das helle, kalte Herbstlicht, das Augustas Haar wie gesponnenes Glas wirken ließ, ihre Tränen auf seiner Haut, ihren Körper in seinen Armen. »Und was wird aus uns?« Sie löste sich von ihm und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen - wie sie es damals getan hatte, als er ihr bei den Howards in ihr Zimmer gefolgt war und sie ihm ein Kissen an den Kopf geworfen hatte.
    »Ich weiß nicht.« Sie sah ihn an. »Ich liebe dich, und ich werde dich immer lieben, aber ich weiß nicht… ob so, auf diese Art.«
    Geistesabwesend verschränkte sie ihre Finger ineinander und bog sie um. »Bitte, laß mir Zeit.«
     
    Ich nenne, ich flüstre, ich atme dich nicht;
    Es ist Schmerz in dem Klang, es ist Schuld im Gerücht;
    Nur die brennende Trän auf der Wang,
    o mein Herz
    Verrät dir den tiefen, den schweigenden Schmerz.
     
    Zu kurz für das Glück, für den Frieden zu lang
    Entschwanden die

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