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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ganzen Zeremonie ständig Byron an. Sie wiederholte die Worte hörbar und gut. Byron stockte zuerst, als er sagte ›Ich, George Gordon‹, und als er zu den Worten ›Mit all meinen weltlichen Gütern werde ich dich unterstützen‹ kam, schaute er mit einem halben Lächeln zu mir herüber…
    Ich fühlte mich, als hätte ich einen Freund beerdigt.« Hobhouse fand sowohl die Braut als auch den Bräutigam ungewöhnlich ruhig. Kurz nach der Trauungszeremonie standen Annabella zwar Tränen in den Augen, sie verließ das Zimmer, aber als sie in ihrem Reisekleid aus blaugrauem Satin, mit weißer Spitze besetzt, zurückkehrte, war nichts mehr davon zu sehen. Hobhouse schenkte ihr eine Gesamtausgabe der bisher erschienenen Gedichte Byrons als Hochzeitsgabe und begleitete sie zur wartenden Reisekutsche. Etwas zögernd, um zu versuchen das ungute Gefühl, das ihn erfüllte, loszuwerden, wünschte er der neuen Lady Byron viele glückliche Jahre. Annabella erwiderte:
    »Wenn ich nicht glücklich werde, wird es mein eigener Fehler sein.« Er half ihr, in das Gefährt einzusteigen, schloß vorsichtig die Tür und eilte dann auf die andere Seite, um sich von Byron zu verabschieden. Byron wirkte immer noch gelassen, aber für Hobhouse, der ihn seit ihrem gemeinsamen Studium in Cambridge kannte, war diese Ruhe nur eine dünne Maske. Er erkannte es an der Art, wie Byron ihm die Hand drückte, sehr fest und nicht willens, sie wieder loszulassen. Als die Kutsche anfuhr, rannte Hobhouse hinterher und winkte, nicht sicher, was da auf die Welt zukommen würde.
     
    Annabella, Lady Byron, befand sich mit ihrem eben angetrauten Mann auf dem Weg nach Halnaby, einem Gut der Familie Milbanke, wo sie ihre Flitterwochen verbringen würden. Sie fühlte sich so hilflos wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Schweigend hingen beide ihren Gedanken nach. Nach einer Weile begann Byron zu singen, wilde Lieder in einer Sprache, die sie noch nie zuvor gehört hatte. Er spürte ihren Blick, brach ab und sagte spöttisch: »DU brauchst keine Angst zu haben, Bell, ich fresse dich nicht. Das war ein albanischer Hochzeitsgesang.«
    Es war das erste Mal, daß er diese reizende Verkleinerungsform ihres Namens gebrauchte. Niemand hatte sie bis jetzt so genannt, und sie errötete. Er nahm ihre Hand: »Weißt du, ich habe dich jetzt in meiner Gewalt und könnte es dich fühlen lassen.«
    Es sollte eine neckende Erinnerung an seinen ersten Annäherungsversuch sein, aber Annabella faßte es als eine Drohung auf. Sie erstarrte. Er spürte, wie sie zu zittern anfing, und sagte rasch: »Oh, Bell, ich dachte eigentlich, du wärst eine kluge Frau. Das war wirklich auch der Grund, warum ich dich geheiratet habe - eine Frau wie dich zu überlisten, das ist schon etwas.« Offenbar schien das auch nicht das Richtige zu sein.
    Die Hochzeitsnacht wurde wider Erwarten nicht zum Debakel.
    Annabella war nicht frigide, wie Byron heimlich befürchtet hatte, nur etwas verängstigt. Und dennoch, als sie längst eingeschlafen war, den Kopf an seine Schulter gelegt, und er ihre leisen Atemzüge hörte, überwältigte ihn trostlose Einsamkeit.
     
    Annabella verbrachte ihre Flitterwochen in einem ständigen Schwanken zwischen Glück und Unglück. Sie bemerkte, daß sich Byron bemühte, auf ihre Interessen einzugehen: er begann, an einer Gedichtssammlung über biblische Themen zu schreiben, die als Geschenk für sie gedacht waren. Sie bot sofort an, seine Manuskripte in Reinschrift zu übertragen; vage erinnerte sie sich, daß er einmal erwähnt hatte, wie lästig er diese Arbeit fand. Annabella hingegen bereitete es viel Freude, und es entsprach am ehesten ihren Vorstellungen vom Leben mit einem Dichter. Eigentlich hatte sie angenommen, Byrons Dichtungen wären ihr wichtigstes Gesprächsthema, nun aber mußte sie feststellen, daß er über alles andere lieber sprach. Vor allem irritierte sie, daß er so gut wie nie bereit war, über den tieferen Sinn seiner Epen zu reden. Einmal, als sie gerade dabei war, einen Vergleich zwischen Milton und ihm zu ziehen, unterbrach er sie und sagte eindringlich: »Alles, was ich will, ist eine Frau, mit der man lachen kann, und ich kümmere mich nicht darum, was sie sonst noch ist.« Sie fühlte sich verletzt und antwortete pikiert; »Ich würde meinen, daß uns die Tränen eher verbinden.«
    Am Tag nach ihrer Ankunft in Halnaby kam ein Glückwunschschreiben von seiner Schwester, das sie seltsam berührte. Augusta schrieb in ihrer gewohnt hastigen,

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