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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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dem Dinner.
    Mittlerweile, glaube ich, spricht er zu sich selbst (ich habe ihn mittendrin verlassen) über verschiedene Likörgläser hinweg, die ihn weder unterbrechen können noch einschlafen… Ich muß nun zum Tee kommen - verdammter Tee. Ich wünschte, es wäre Kinnairds Brandy, und Du dabei, um mich darüber zu belehren.«
    Er vermißte seine Freunde, London, ungestörtes Alleinsein, und vor allem vermißte er Augusta.
     
    Augusta erhielt jeden zweiten oder dritten Tag einen Brief von Annabella, in dem sie der »Schwester« intimste Vertraulichkeiten offenbarte. Hauptthema war natürlich Byron und sein Verhalten, und so endete jeder Brief mit der kaum verschleierten Bitte um Rat. Für Augusta hatten die Rätsel schon mit Annabellas Einladung begonnen. Jede junge Frau würde doch in den Flitterwochen allein sein wollen! Annabella aber bat sie nach zwei Tagen Ehe, sie zu besuchen!
    Während der Verlobungszeit war Augusta gerührt gewesen von Annabellas Herzlichkeit und ihrer Liebe zu Byron, die sich in ihren Briefen unter einer Flut von formellen Sätzen immer mehr herausschälte. Die Schreiben nach der Hochzeit verrieten zusehends das Bedürfnis nach einer Schwester, nach Hilfe. Augusta war sich schon bald klar darüber, wo Annabellas wahres Problem lag: Die neue Lady Byron hatte sich in eine Kunstfigur verliebt, den melancholischen, gutaussehenden Dichter des »Childe Harald«, und schien nun die Wirklichkeit nicht bewältigen zu können. Dazu war die arme Annabella, der Inbegriff an Humorlosigkeit, neben einem Charakter wie Byron nicht fähig.
    Augusta lehnte höflich alle Vorschläge ab, zu dem jungen Ehepaar zu stoßen, und überlegte, wie man Annabella am taktvollsten den richtigen Weg weisen konnte. Zuerst versuchte sie es indirekt:
    »Ich kann selbst auf diese Entfernung über den Fortgang der
    ›Merkwürdigen Vorgänge‹ lachen - es sieht ihm so ähnlich, zu versuchen den Leuten einzureden, er sei unangenehm & all das.
    Oh dear!!«
    Annabella nahm weiterhin alles ernst, was Augustas Bruder äußerte oder tat, und ermutigte ihn so, sich wie der Schurke in einem Gespensterroman von Mrs. Radcliffe aufzuführen - anders gesagt, wie einer seiner eigenen Helden. Augusta wurde deutlicher:
    »Ich werde Dir, meine liebe Schwester, meine ganze Torheit bekennen, als welche sie sich jetzt erwiesen hat - daß Du nämlich vielleicht all seine ›Merkwürdigkeiten‹, ›seiner Art zu sprechen‹ - ›Grübeleien‹ nicht verstehen könntest und daß ein solches Mißverständnis Dich unglücklich gemacht hätte, was er sehr schnell entdeckt hätte & seine eigenen geraden Vorstellungen seiner Befähigung zum häuslichen Leben hätten leichtes Spiel gehabt. Aber nun schlage ich meine Befürchtungen in den Wind & ich bin sicher, Du tust das Richtige, ›lachst darüber‹…«
    Annabella lachte nicht. Statt dessen schrieb sie eifrig weiter, ignorierte alle Hinweise Augustas und grübelte über das düstere, dunkle Geheimnis nach, das, so war sie überzeugt, Byron mit sich herumtragen mußte.
    Annabella drängte auf einen Besuch in Six Mile Bottom, was Augusta so lange abwehrte, wie sie konnte, unter dem Vorwand, sie müsse dann erst nach einem Haus für die beiden Byrons und ihre Bediensteten suchen, da sie nicht alle in Six Mile Bottom untergebracht werden könnten. Augusta hatte ein echtes Gefühl der Freundschaft für Annabella entwickelt, aber sie liebte Byron, und sie wußte nicht, ob sich ihre guten Vorsätze hinsichtlich ihres Bruder-Schwester-Verhältnisses auch einhalten lassen würden, wenn sie ihn tatsächlich wiedersah.
    Doch nicht nur, daß Annabellas Wunsch nach einem Besuch sich immer mehr verstärkte, Byron schaltete sich ein und stellte fest, wenn Six Mile Bottom nicht sie beide aufnehmen konnte, dann unter Umständen einen von ihnen. Der andere müßte dann nach London vorausfahren, wo Lady Melbourne inzwischen ein Haus an der Picadilly Terrace aufgetrieben hatte, das Augusta für zu groß und zu teuer hielt:
    »Könnte sich B nicht mit einem kleinen Haus in der Stadt zufrieden geben. Ach nein - ich kenne seinen umherschweifenden Geist - aber warum nicht - bis er sich ein großes leisten könnte?
    Gefällt Dir nicht mein Versuch, Eure Angelegenheiten zu regeln!«
    Das Haus an der Picadilly Terrace war zu teuer, aber Byron war der zähen, sich ewig dahinschleppenden Verhandlungen überdrüssig und mietete es. Wie auch immer, sein Vorschlag in bezug auf Six Mile Bottom war ziemlich eindeutig. Wollte

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