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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ziemlich gekränkt, und sie war nicht auf die Idee gekommen, es komisch zu finden.
    Auf ihrem Weg nach Halnaby waren sie an der Stadt Durham vorbeigekommen, wo die Einwohner ihnen zu Ehren alle Glocken läuten ließen. Sie hatten dort etwa eine Stunde lang Station gemacht, und während der ganzen Zeit hatte das Glockengeläute nicht aufgehört, bis Byron schließlich mit einer Grimasse gesagte hatte: »Soviel zu unserem Glück!« Annabella war sehr verletzt gewesen. Wollte Augusta etwa andeuten, sie solle sich über derartige Beleidigungen lustig machen?
    Aber Augustas Schreiben kam ihr so herzlich vor, daß sie darin eine helfende Hand sah. Sie brauchte einfach jemanden, der ihr riet, was zu tun war. Also stürzte sie sich in einen Briefwechsel mit einer Frau, die sie nie gesprochen und erst einmal aus der Ferne erblickt hatte. Die sorglose Art, in der Augusta schrieb, faszinierte sie. Sie wußte, daß Augusta mit Six Mile Bottom und ihren Kindern ebenfalls Probleme haben mußte, aber Byrons Schwester gelang es anscheinend, diese beiseite zu schieben oder nicht so wichtig zu nehmen.
    Auf Augustas Brief folgte eine Zeit der Entspannung. Byron behandelte Annabella mit sarkastischer Nachsicht. Er hörte nach und nach auf, ihr gräßliche Geschichten zu erzählen, und bemühte sich statt dessen, mit ihr über Themen ihrer Wahl zu reden. Als sie einmal begann, über Religion zu sprechen, hielt er ihr den Mund zu, stellte sich in aller Eile als Agnostiker und halben Atheisten dar, ließ sie wieder los und sagte neckend:
    »So! Jetzt setze dich hin und bekehre mich!« Sie beeilte sich, ihm zu versichern, daß sie ihm nicht böse sei, denn »ich habe Verständnis für Zweifler, da ich selbst gezweifelt habe.«
    »Du meine Güte«, erwiderte er und seufzte, »wie großzügig von dir, Bell.«
    Er bemerkte belustigt, daß sie sich Epigramme und Aussprüche von ihm, die sie für besonders originell hielt, voller Eifer neben ihre Studien des Historikers Gibbons aufschrieb;
    »Es ist mehr Lebendigkeit in erfundenen als in historischen Gestalten - in Falstaff mehr als in Julius Caesar,«
    »Die Asiaten sind nicht qualifiziert dazu, Republikaner zu sein, aber sie haben die Freiheit, Despoten zu verjagen, was dem nahe kommt.«
    »Caroline muß für das Herz ihres Ehemanns wie ein ständig fallender Wassertropfen sein - er höhlt aus und versteinert.«
    »Kleine Pedantin«, sagte Byron, als er Annabella schon wieder beim Protokollieren von einigen seiner Sätze fand. »Hast du denn keine gute Meinung von mir, Byron?« fragte sie gekränkt.
    Sein Gesicht verschloß sich unverzüglich. »Teuerste Annabella, ich halte dich für ein vollkommenes Musterbeispiel britischer Tugenden. Da ich in dieser Meinung nicht allein stehe, wirst du wegen deiner Eheschließung von halb England bedauert - frag Hobhouse.«
    In dieser Nacht wachte sie auf und sah ihn am Fenster stehen.
    Er fuhr leicht mit seinen Fingern über das Glas, zeichnete irgendein bestimmtes Muster, immer wieder. Das einfallende Mondlicht zeichnete seine Gestalt in scharfen Kontoren, und sie glaubte plötzlich, dies sei der Moment, um ihm näherzukommen. Sie stand auf und berührte ihn sachte an der Schulter. Er fuhr herum, und sein verzerrter Gesichtsausdruck erschreckte sie entsetzlich. »Laß mich in Ruhe, Bell, laß mich einfach in Ruhe! Ich brauche dich nicht, und ich will dich nicht!«
    Der Sirupmond war vorbei.
     
    Am einundzwanzigsten Januar kamen Byron und Annabella in Seaham an, da Hanson immer noch kein Haus in London für sie hatte auftreiben können. Byron hatte versucht, dem Besuch in Seaham auszuweichen - unter dem Vorwand, sich selbst um die Wohnangelegenheit kümmern zu wollen - , war aber ohne Erfolg gewesen. In Seaham warteten Annabellas Eltern, froh, ihre Tochter wieder bei sich zu haben, und offenbar der Ansicht, das junge Paar sollte sich am besten gleich dort häuslich niederlassen. Byron schauderte schon bei dem Gedanken. Sein Verhalten gegen Annabella tat ihm leid, und er versuchte so höflich wie möglich gegen sie zu sein.
    Aber immer öfter fragte er sich, ob der Teufel ihn geritten hatte, ausgerechnet Miss Milbanke einen Heiratsantrag zu machen.
    Die tödliche Langeweile kam in Briefen an seine Freunde zum Ausdruck:
    »An dieser öden Küste haben wir nichts außer Gemeindetreffen und Schiffbrüche… Mein Papa, Sir Ralpho, hielt neulich eine Rede bei einem Treffen in Durham über Steuern, und nicht nur in Durham, sondern auch hier, mehrere Male nach

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