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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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erleiden, die nach allem wahrscheinlich ebenso verdammt wurden wie vorher.«
    Annabella wandte sich zornig an Augusta. »Denkst du genauso?« Augusta schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich glaube an die Auferstehung und die Erlösung, weil ich an die Liebe glaube.«
     
    Byron sah sie an. »Und was ist mit Geistern, Gus? An die glaubst du doch auch?« Seine Schwester verzog das Gesicht und erwiderte: »Ich hoffe darauf, daß nur solche Ekel wie der alte Rattenzüchter zum Spuken verurteilt werden. Du meinst doch nicht, daß er irgend jemanden geliebt hat?« Sie stand auf und reichte Annabella die Weinkaraffe über den Tisch.
    »Sehr mitfühlend von dir, Gus, unseren liebenswürdigen Großonkel seinen sämtlichen Nachfahren aufzubürden. Stell dir vor, wie man sich als Durchschnittsmensch bei dieser Erscheinung fühlen muß.« Augustas Miene wurde auf einmal täuschend unschuldig. Sie murmelte, ohne in seine Richtung zuschauen:
    »Oh, ich kann das sicher nicht beurteilen. Du bist derjenige, dem die Geister erscheinen, hast du das vergessen?« Einige Sekunden lang herrschte Stille, dann brachen sie beide in Gelächter aus. Annabella fühlte sich verwirrt und ausgeschlossen. Sie warf ein: »Um noch einmal auf die Erlösung…« Eisig sagte Byron: »Danke, meine Liebe, Wir kommen auch ohne dich zurecht.« Annabella erhob sich von ihrem Stuhl und verließ steif den Raum.
     
    Am nächsten Morgen war Byron, ganz gegen seine Gewohnheit, früh aufgestanden, doch als Annabella herunterkam, stellte sie fest, daß die Geschwister mit dem Frühstück auf sie gewartet hatten. Lediglich die Kinder waren bereits fertig, und Augusta wischte ihrem Sohn gerade mit einer Serviette den Mund ab, als sie Annabella auf der Treppe hörte. Sie gab Henry noch einen Klaps auf die Finger, da er nach ihrem Teller griff, ging dann auf ihre Schwägerin zu und begrüßte sie freundlich. »Guten Morgen, Bell - o dear, verrate mir, wie du das machst. Ich wirke um diese Tageszeit immer völlig verschlafen, du dagegen - sieht sie nicht besonders hübsch aus, Byron?« Ihr Bruder entgegnete aufgeräumt: »Ja, das tut sie. Bell, du solltest öfter Blaugrau tragen, es gefällt mir an dir.«
    Annabella war fassungslos. Das, nachdem er sie am Abend zuvor so behandelt und sie die ganze Nacht nicht eines Blickes gewürdigt hatte! Augusta erkannte ihre Schwierigkeiten und sagte schnell: »Aber setze dich doch. Ich hoffe, du magst Porridge, ich mußte einen schweren Kampf mit Henry und der kleinen Augusta ausfechten, um dir eine Portion zurückzuhalten.«
    Byron erkundigte sich, wie sie geschlafen habe, und fragte, wann sie ihren Eltern schreiben würde. Es blieb Annabella nicht verborgen, daß sowohl Byron als auch Augusta sich ständig bemühten, sie in das Gespräch mit einzubeziehen. Das Frühstück verlief so ohne den häßlichen Beigeschmack des vorherigen Abends. Annabella bemerkte, daß Bruder und Schwester ein Medaillon trugen, daß sie bei ihrem Gatten noch nie gesehen hatte, entschied sich aber, im Moment nicht danach zu fragen.
    Später machte sie einen Spaziergang mit Augusta. Das Wetter war nicht besonders schön, aber mit etwas Glück würde es wenigstens nicht regnen. Augusta studierte mit gerunzelter Stirn die schweren grauen Wolken, fröstelte und hakte sich bei Annabella ein, während sie über das Frühjahr im allgemeinen plauderte und bedauerte, hier nicht mit dem etwas günstigeren Seeklima von Seaham gesegnet zu sein. Annabella versuchte zunächst auf ebenso unbeschwerte Weise zu antworten, kam jedoch dann mehr und mehr darauf, über die Probleme ihrer Ehe zu sprechen.
    Augusta erwies sich als aufmerksame Zuhörerin. Als Annabella geendet hatte, überlegte sie eine Weile und meinte schließlich:
    »Ein Teil seines Verhaltens kommt zweifellos von diesen elenden Geldschwierigkeiten. Und natürlich leidet er darunter, daß er Newstead verkaufen mußte.« Annabella fragte verwundert:
    »Aber er wollte Newstead doch verkaufen, oder?« Um die Augen ihrer Schwägerin legte sich ein kleiner Schatten. »Hast du dich noch nie zwingen müssen, etwas zu tun, was du nicht wirklich wolltest, einfach, weil es keine andere Möglichkeit gab?«
     
    Einen Moment lang hatte Annabella den Eindruck, Byrons Schwester redete über etwas ganz anderes.
    »Diese ewigen Verhandlungen mit Hanson, Newstead und das ganze übrige Hin und Her - so etwas zersetzt und macht gereizt, Bell.« Annabella gab zu, daß diese Aussage nicht aus der Luft gegriffen war. Sie wußte,

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