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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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von Augusta, war unruhig, gereizt und fühlte sich von aller Welt im Stich gelassen und einsam. Mittlerweile war jedes Schuldgefühl gegenüber Annabella verflogen. Sie hatte ihn von Augusta getrennt. In dieser Lage traf ihn Claire an und nutzte seine Stimmung zu ihrem Vorteil. Sie erreichte, was sie wollte; sie wurde wieder Byrons Mätresse. Doch sie konnte nicht umhin, sich zu fragen, wie lange das wohl anhalten würde.
    Claire bot an, Byrons entstehende Manuskripte - er arbeitete an einem Drama und mehreren Versepen - in Reinschrift zu übertragen. Da sie über eine schöne Schrift verfügte und er diese Aufgabe ohnehin haßte, fand ihr Angebot dankbare Aufnahme.
    Claire argwöhnte, daß er in ihr in jedem Fall lieber eine Sekretärin als eine Geliebte sah. Er benahm sich entsprechend. Wer, dachte Claire, konnte es ihr da übel nehmen, wenn sie sich Einblick auch in die Manuskripte verschaffte, die sie eigentlich nichts angingen?
     
    Will der Tag meines Glückes auch schwinden
    Und der Stern meiner Hoffnung verglühn,
    Verschmäht dein sanft Herz doch, zu finden
    Die Fehler, deren andre mich ziehn;
    Und kannt es auch all meine Schmerzen,
     
     
    Nie erschrak’s, sie zu teilen mit mir,
    Und die Liebe, die oft ich im Herzen
    Geträumt, fand ich einzig bei dir.
     
    »An seine Schwester, Mary, an seine Schwester!« sagte Claire, nur für den Fall, daß ihre Entdeckung zu harmlos erscheinen sollte. Shelley und Mary blickten unbehaglich drein. Endlich erklärte Shelley. »Ich habe nie an das Geschwätz geglaubt. Er ist eben anders als die meisten, das ist alles.«
    »Im übrigen«, fügte Mary hinzu, »hattest du nicht das Recht, seine Sachen zu durchstöbern.« Aber Claire hatte es getan und wurde dabei von Byron auf frischer Tat ertappt.
    Er sagte kein Wort. Aber der Ausdruck in seinen Augen erschreckte sie so sehr, daß sie unwillkürlich rief: »Du darfst mir nichts tun - ich erwarte ein Kind!« Damit war es heraus. Die in Tränen aufgelöste Claire berichtete Mary und Shelley, Byron hätte gesagt, daß er sie nie wiedersehen wolle. »Was soll ich nur tun? O Gott, was soll ich nur tun?«
    Am Ende war es der gutmütige Shelley, der helfend eingriff und sich damit auf ewig dem Verdacht aussetzte, er habe selbst mit Claire eine Affäre gehabt. Er vereinbarte mit Byron, daß Claire ihn und Mary zurück nach England begleiten würde, wo Shelley erneut versuchen wollte, das Sorgerecht für seine ehelichen Kinder zu erlangen. Dort würde Claire dann Ihr Kind zur Welt bringen, das von Byron als das seine anerkannt und als solches ohne Nennung der Mutter amtlich eingetragen werden würde.
    Über das weitere Vorgehen liefen die Meinungen beider Parteien, zwischen denen Shelley vermittelte, erheblich auseinander.
    »Augusta kann das Kind aufziehen.«
    »Niemals!« Schließlich einigte man sich darauf, daß das Kind, Junge oder Mädchen, bei seinem Vater aufwachsen würde.
     
    Bevor die Shelleys abreisten, gab es noch einen kleinen Eklat.
    Der eifersüchtige Polidori forderte Shelley aus keinem ersichtlichen Grund zum Duell. Shelley weigerte sich, die Sache ernst zu nehmen. »Sie wissen genau, daß er Pazifist ist und sich aus Prinzip nicht duelliert«, sagte Byron und musterte Polidori von oben bis unten. »Aber ich trete gerne an seine Stelle.« Polidori kehrte rachsüchtig auf sein Zimmer zurück und machte sich an die sorgfaltige Beschreibung des Bösewichts in seiner entstehenden Novelle »Der Vampir«.
    Nachdem die Shelleys die Schweiz verlassen hatten, nahm Byron eine von Madame de Staels Einladungen an. Madame, die in Coppet residierte, erinnerte sich wohlwollend ihrer Londoner Bekanntschaft. Es war Byrons erster Auftritt in der Gesellschaft seit der öffentlichen Ächtung bei Lady Jersey damals, und als Madame de Staels Türsteher seinen Namen ausrief, stieß eine Dame einen spitzen Schrei aus und fiel lautlos in Ohnmacht.
    »Das ist zuviel«, kommentierte die Duchesse de Broglie mit Blick auf die Unglückliche, der man eifrig Luft zufächelte, »mit fünfundsechzig Jahren!«
    »Zittert, Sterbliche«, murmelte Byron sarkastisch, »der Satan ist erschienen.« Madame hatte Neuigkeiten, interessante Neuigkeiten aus England. Lady Caroline Lamb hatte ihre schriftstellerischen Fähigkeiten entdeckt und ein Buch, das sie als »Enthüllungsroman« bezeichnete, verfaßt. Das Motto zu diesem Werk mit dem Titel »Glenarvon« stammte aus Byrons Erzählung
    »Der Korsar«:
     
    He left a name to all succeeding times
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