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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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verurteilt?«
    »Einspruch, Euer Ehren!« ruft Emma. Sie und Eric gehen zur Richterbank und tuscheln, doch über das Mikro des Richters kann man verstehen, was sie sagen. »Euer Ehren, diese Geschichte liegt schon eine Ewigkeit zurück. Da war Bethany Matthews noch gar nicht geboren, und ich wüßte nicht, was die Sache noch für eine Relevanz haben sollte.«
    Nach Artikel 609 der Beweiserhebungsregeln zweifele ich aufgrund einer früheren Verurteilung die Glaubwürdigkeit der Zeugin an. Und wenn man's genau nimmt, war Bethany Matthews zum Zeitpunkt des Deliktes anwesend, Euer Ehren. Sie war ein zwei Monate alter Fötus.«
    »Mr. Talcott, Sie haben doch hoffentlich nicht ernst-haft vor, eine Diskussion über die Rechte von Ungebo-renen anzufangen«, warnt Richter Noble. »Einspruch wird stattgegeben.« Er wendet sich an die Geschworenen. »Ladys und Gentleman, bitte lassen Sie außer acht, was Sie eben gehört haben.«
    Aber sobald ein Stein geworfen ist, gerät das Wasser in Bewegung, auch wenn jemand den Stein wieder herausholt. Saß ich noch öfter mit im Auto, während meine Mutter alkoholisiert am Steuer saß und nicht geschnappt wurde?
    »Mrs. Vasquez«, sagt Eric, »Ihre Tochter wurde einmal von einem Skorpion gestochen, während Sie mit ihr allein zu Hause waren, ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Können Sie uns erzählen, wie das passiert ist?«
    »Sie war ungefähr drei, und sie hat die Hand draußen in den Briefkasten gesteckt. Der Skorpion saß drin.«
    »Sie haben eine Dreijährige gebeten, die Post aus dem Briefkasten zu holen?«
    »Ich hatte sie nicht darum gebeten, sie hat es von allein getan«, stellt meine Mutter klar.
    »Vielleicht haben Sie sie nicht darum gebeten, weil Sie zu dem Zeitpunkt bewußtlos waren. Betrunken.«
    »Ich kann mich wirklich nicht erinnern, ob das der Fall war.«
    »Nein?« sagt Eric. »Vielleicht kann das hier Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.« Er reicht meiner Mutter eine Klarsichthülle mit der Aufschrift »Beweisstück A«.
    »Wissen Sie, was das ist, Mrs. Vasquez?«
    »Das ist ein medizinischer Bericht vom Osborn Hospital in Scottsdale.«
    Eric deutet unten auf die Seite. »Würden Sie den Geschworenen bitte diesen Satz vorlesen?«
    Sie spitzt die Lippen. »Mutter offensichtlich alkoholisiert.«
    »Solche Berichte werden von Ärzten geschrieben«, sagt Eric. »Würden Sie sagen, daß Ärzte aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung beurteilen können, ob jemand alkoholisiert ist oder nicht?«
    »Niemand hat mich an dem Abend untersucht«, erwidert meine Mutter. »Alle haben sich um Bethany gekümmert.«
    »Gott sei Dank, denn als sie eingeliefert wurde, bekam sie keine Luft mehr.«
    »Das war eine Reaktion auf das Skorpiongift, es war sehr schlimm.«
    »So schlimm, daß Bethany viereinhalb Stunden in der Notaufnahme behandelt werden mußte?«
    »Ja.«
    »So schlimm, daß bei ihr ein Luftröhrenschnitt vorgenommen werden mußte, damit sie wieder atmen konnte?«
    »Ja.«
    »So schlimm, daß sie noch drei Tage auf der Intensivstation bleiben mußte. Drei Tage, in denen die Ärzte Ihnen nicht versprechen konnten, ob sie überlebt?«
    Meine Mutter hat den Kopf tief gesenkt. »Ja.« »An dem Abend, als Ihre Tochter von dem Wochen-endbesuch bei ihrem Vater zurückkommen sollte, hatten Sie da getrunken?«
    »Ja.«
    »Um welche Uhrzeit haben Sie an dem Tag mit dem Trinken angefangen?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Wohnte Victor da bereits bei Ihnen?«
    »Ja, aber er war nicht da«, sagt sie. »Ich glaube, er mußte arbeiten.«
    »Wie spät wäre er wieder zu Hause gewesen?«
    »Das ist so lange her«, sagt meine Mutter.
    »Erinnern Sie sich, ob er vor oder nach der Rückkehr Ihrer Tochter wieder zu Hause gewesen wäre?«
    »Danach«, sagt sie. »Er hatte Spätschicht.«
    »Hatten Sie den ganzen Nachmittag getrunken?«
    »Ich ... nehme es an.«
    »Haben Sie das Bewußtsein verloren?«
    »Mr. Talcott«, sagt meine Mutter mit ruhiger Stimme, »ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Und ich mache keinen Hehl daraus, daß ich keine Heilige war. Aber können Sie ehrlich behaupten, daß Sie noch nie im Leben einen Fehler gemacht haben?«
    Eric erstarrt. »Ich stelle hier die Fragen, Mrs. Vasquez.«
    »Vielleicht war ich nicht die beste Mutter der Welt, aber ich habe mein Kind geliebt. Vielleicht war ich keine verantwortungsbewußte Erwachsene, aber ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Ich hätte nicht achtundzwanzig Jahre dafür bestraft werden dürfen.

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