Wainwood House - Rachels Geheimnis
ein verräterisches Zucken an seinem linken Auge zu entdecken. »Ich fürchte, es gehört ein wenig mehr dazu, Teil eines großen Haushaltes zu sein, als seine eigenen Kleider in Ordnung zu halten«, gab der Butler zu bedenken, und sein Blick fügte wortlos hinzu, dass Jane offenbar selbst dazu nicht in der Lage war.
»Sie könnte Beatrice zur Hand gehen und nach angemessener Zeit zum Dienstmädchen aufsteigen«, gemahnte Lord Derrington sanft. »Ich denke, sie hat eine recht saubere Handschrift. Außerdem kann sie offenbar kochen und mit der Nadel umgehen.« Diese Behauptung war eine äußerst mutwillige Auslegung von Janes Fähigkeiten.
»Qualitäten, wie sie unzählige englische Mädchen ebenfalls mitbringen«, wandte Frost ein und nahm zum ersten Mal seit seinem Eintreten Jane in Augenschein, anstatt weiterhin so zu tun, als wäre sie nicht anwesend. »Außerdem hat sie wohl schwerlich eine eigene Uniform.« Für gewöhnlich brachten die Dienstmädchen einen eigenen Satz der erforderlichen Kleider, Hauben und Schürzen mit, wenn sie in einem großen Haus in Stellung gingen.
»Ihr Kleid ist bereits schwarz«, stellte Lord Derrington so trocken fest, als hätte Frost diesen Umstand abgestritten. »Für den Rest werde ich aufkommen.«
»Das ist äußerst großzügig von Ihnen, Mylord, aber die anderen Dienstboten würden eine solche Bevorzugung übel aufnehmen.« Obwohl der Butler sich keine Sekunde lang im Ton vergriff, verteidigte er seine Position mit der verzweifelten Beharrlichkeit eines Mannes, der seinen Dienstherrn vor einem folgenschweren Fehler bewahren wollte.
»Ich habe selbst noch etwas Geld von der Reise üb rig«, unterbrach Jane die beiden Männer. Sie traute ihrer Stimme nicht ganz und noch weniger Lord Derringtons Vorschlag. Das Leben eines Dienstmädchens erschien ihr nur wenig verlockender, als sich allein auf der Straße durchzuschlagen. Doch immerhin beinhaltete es feste Mahlzeiten, ein eigenes Bett und einen Lohn am Ende des Jahres. Vielleicht würde sie eine bessere Lösung finden, wenn sie erst zur Ruhe gekommen war.
»Sehen Sie, wie sich alles fügt, Frost?«, erklärte Lord Derrington so freudestrahlend, als wäre der Einwurf des Mädchens von ihm gekommen. »Nehmen Sie Miss Swain mit hinunter und weisen Sie sie in alles ein. Ich bin sicher, dass sie sich als ein wertvolles Mitglied unseres Haushalts erweisen wird.« Er nickte Jane jovial zu, offenkundig erleichtert, diese Angelegenheit zu einem zufriedenstellenden Ende gebracht zu haben. Mr Frost brachte eine angedeutete Verbeugung zustande. Das Einzige, was ihn und Jane in diesem Augenblick verband, waren die Zweifel, die sie beide an Lord Derringtons Entscheidung hegten. Jane fühlte sich, als hätte sie das Korsett doch noch angelegt und als würde es ihr die Luft zum Atmen abschnüren, während Maxwell Frosts Miene ein einziges stummes Martyrium war. Der Butler führte das Mädchen zur selben Tür hinaus, durch die er hereingekommen war, und somit blieb unentdeckt, was sich vor den anderen abspielte.
Anders als dem Kater Bonifacius war es Penelope nicht rechtzeitig gelungen, in die Bibliothek zu schlüpfen und sich dort zu verstecken, um das Gespräch zu belauschen. Ihr jüngerer Bruder war wieder einmal seiner Gouvernante entwischt und hatte sich mit seinen klebrigen Fingern an ihrem Rock festgeklammert. Es war praktisch unmöglich, mit einem munter plappernden Fünfjährigen lautlos zu schleichen, obwohl Penelope ihm erklärt hatte, dass sie in geheimer Mission unterwegs waren und nur noch flüstern durften. Dennoch war sie zu spät gekommen. Die Türen zur Bibliothek waren bereits verschlossen gewesen. Obwohl sie ein Ohr an den Türspalt drückte und Benjamin eifrig dasselbe tat, drangen nur einzelne Worte zu ihnen heraus.
»Ist das Mädchen eine Indianerin?«, wollte der kleine Junge mit einem vernehmlichen Flüstern wissen. Er hatte zu Weihnachten ein Buch über Amerika bekommen. Seitdem war es sein erklärter Wunsch, über den Atlantik zu reisen und sich einem Indianerstamm anzuschließen.
»Ssscht«, machte seine Schwester und verknitterte vor Aufregung die Schleife ihrer Bluse. Sie hatten beide von der Galerie aus beobachtet, wie Frost das fremdländische Mädchen hereingeführt hatte. Obwohl sie nicht so schwarze Haut hatte wie die Wilden, über die Penelope im Magazin der National Geographic Society gelesen hatte, kam sie doch unzweifelhaft nicht aus England. Nichts hätte Penelopes Neugier mehr anstacheln
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